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Mogadishu

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Im Postin RAF ging es u.a. um den Font Mogadishu von Cornel Windlin/Lineto. Mir drängten sich einige Fragen auf, zumal der Entwurf des Fonts, präsentiert im hervorragenden Buch G1 Trendbuch für Grafik Designer von Lewis Blackwell und Neville Brody vollkommen anders aussieht als die Mogadischu von Fuse 7. (Davon hat FS eben noch 10 Stück im Lager gefunden: nur für Mac, 39 Euro plus MwSt. Enthält Schriften von David Carson, Phil Bicker, Cornel Windlin, Tobias Frere-Jones und Neville Brody auf Diskette (!), und natürlich die Poster dazu.)

Besten Dank, lieber Cornel, für diese Zeilen :-) Lars

Die "original" Mogadishu

Die in Fuse 7 veröffentlichte Mogadishu

Nun drängen sich mir andere Frage auf, die Sie mir vielleicht beantworten können.
Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, diesen Font zu machen?

die mogadischu wurde vor langer zeit im rahmen von FUSE entworfen; das gestellte thema hiess VIOLENCE. also machte ich mich daran, letterformen zu finden, welche im weiteren sinne durch GEWALT geformt worden waren, buchstabenformen, in denen praktisch "gewalt" eingeschrieben war. so stiess ich auf bilder aus der RAF-zeit, welche anonymisierte buchstabenformen zeigten (damit keine graphologischen rückschlüsse gezogen werden konnten). diese bilder waren für mich in den späten 70er jahren wichtig gewesen; ich würde mir gerne die ausstellung in berlin ansehen, und habe schon mehrfach darüber gelesen.

Haben Sie damit eine Arbeit gestaltet, oder nur den Font entworfen?
wie bei vielen FUSE fonts waren diese nicht als schriften für den gebrauch gedacht. ich sah diese arbeit als projekt, als eine auseinandersetzung mit einem thema, anhand von schrift, mit den mitteln von typographie/schriftgestaltung. ein versuch.
leider wurde mein ursprüngliches projekt von fontshop aber abgelehnt. genau am punkt, wo sich inhalt mit einer entsprechenden form verbunden hat, wurde die notbremse gezogen. ich habe die damalige argumentation von fontshop nie verstanden; vermutlich hatten sie einfach bammel vor kontroversen.
die veröffentlichte version war dann eigentlich sinnentleerte und inhaltslose formale spielerei. mein fehler war, dass ich das projekt inhaltlich nie weit genug gedacht hatte, und zu schnell zum kompromiss bereit war. aber man darf nicht vergessen, dass das projekt zur hochzeit der digitalisierungswelle gemacht wurde. es ist ja auch schon über 10 jahre her; seither hat sich so vieles geändert.

Gestalten Sie noch Fonts?
ja. mein letzter entwurf war die entwicklung einer corporate typeface für mitsubishi.
es gibt einige schriftentwürfe, die nicht veröffentlicht sind. im moment habe ich allerdings sehr wenig zeit für schriftgestaltung.

Wie würde ein solcher Entwurf von Ihnen heute heißen? Gaza, Tsunami?
auf keinen fall, sicherlich nicht; das wäre ein sehr oberflächlicher ansatz, und mich interessieren solche projekte praktisch nie. wir arbeiten momentan mit einem israli und einem palästinenser zusammen an einer schriftprojekt, im rahmen dessen - ausgehend vom gleichen formalen ansatz - zwei designer zusammen eine hebräische und eine arabische schriftfamilie gestalten, und einen satz von bildzeichen. so eine art typografischen friedensprozess. wir wissen noch nicht, was damit passieren wird, aber wir sind gespannt. wenn es gut wird, werden wir es veröffentlichen. sonst lassen wir es bleiben.

Mehr noch als die Funktion eines Fonts (Lesbarkeit, Qualität, Komplexität der Familie etc) interessiert mich an der Arbeit mit Fonts die Symbolhaftigkeit einer Schrift. Fonts können so herrlich politisch, so einfach kräftig, so schön einfach sein. Wir selbst haben z.B. beim Ausbruch des zweiten Irak Krieges die Fontfamilie PATRIOT-KIT entwickelt: das sind nur Formen aus denen man Camouflage Muster entwickeln kann. George besteht us den Länderformen Europas und Amerikas.
ich kann den reiz, den diese symbolhaftigkeit auslöst, gut nachvollziehen. allerdings finde ich ihn auch problematisch. ich glaube nicht, dass solche arbeiten politisch sind; sie wirken vielleicht so, und sie wären es wohl auch gerne, aber sie tun nicht mehr, als damit zu kokettieren. sie leisten nichts und beziehen keine stellung. sie genügen sich selbst in der wohligen vorstellung, kontrovers zu sein. das ist auch der fehler der mogadischu, meines erachtens.

P.S. was mich wundert: im Buch G1 ist eine vollkommen andere Abb. des Fonts als in der FUSE???
das ist richtig. [...] die Schrift, die fontshop im rahmen des FUSE projektes publiziert hat, ist eigentlich ein mehr oder minder formalistisches projekt. [...] aus diesem grund habe ich in G1 die originale version, welche die ursprünglichen letterformen aus den polizei-fotos als ausgangspunkt benutzt, als projekt-dokumentation veröffentlicht. als font wurde diese ursprüngliche mogadischu nie veröffentlicht, was ich richtig finde. als publiziertes projekt genügt sie vollständig; ich mag die idee eines digitalen fonts, welcher nicht verfügbar ist.

beste grüsse,
cornel windlin

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