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Street Fighting Years | A Visual Report

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Street Fighting Years dokumentiert die vielleicht bedeutendste gesellschaftspolitische Bewegung im dritten Jahrtausend. Menschen organisieren sich mittels neuer Medien und versammeln sich auf den Plätzen und Straßen dieser Welt! Demokratie, Bürger- und Menschenrechte werden unerbittlich und konsequent eingefordert – zuweilen auch unter Einsatz physischer Gewalt.

Street Fighting Years setzt dem Mut und dem Willen zur Veränderung in Form dieser umfangreichen internationalen Publikation ein Denkmal!

Street Fighting Years verfolgt keinerlei politisch oder ideologisch motivierte Ziele. Das Projekt ist unabhängig und unbeeinflussbar.

Die Publikation versammelt auf ca. 500 Seiten Hunderte von Fotos aus der ganzen Welt: aus Ägypten, China, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Iran, Libyen, Spanien, Syrien, Italien, USA und vielen anderen Ländern.

As simple as that: wir möchten Eure Eindrücke!

Fotos oder Video Stills, die ihr bei Demonstrationen oder Kundgebungen (ab dem Jahr 2000) aufgenommen habt. Dabei wird kein Fokus auf künstlerischen Ausdruck, Kreativität oder technische Aspekte gelegt. Die Fotos können verwackelt sein oder unscharf – alles entscheidend ist, dass ein Moment festgehalten wird, den dieses Foto transportieren muss!
Wir wollen die Authentizität des Augenblicks zur Dokumentation einer demokratischen Bewegung!

Selbstverständlich sind auch Arbeiten professioneller Fotografen und Journalisten willkommen. Grundsätzlich spielen Auflösung oder Schärfe keine tragende Rolle, solange das Foto Geschichte erzählt.

Wichtig: Bitte keine nachträgliche Bildbearbeitungen oder Manipulationen vornehmen! Fotos mit Effekten jedwelcher Art werden nicht akzeptiert. Wir hoffen auf eine rege Beteiligung und freuen uns auf Einsendungen aus aller Welt!

(link for the full introduction in english: http://www.streetfightingyears.com/)

Chris Steurer ist langjähriger Slanted-Begleiter, als Redakteur und Kommentator in den frühen Jahren von Blog und Magazin. Er ist Art Director für das Debattenmagazin Novo Argumente, startete und betreute das Design2context Projekt »Seeing Peace – Friedensansichten«, und initiert und leitet seit 1997 Projekte mit dem Schwerpunkt visuelle Erscheinungsbilder.

Chris, Initiator und Editor, gibt hier – per Email generiert – Antworten auf Fragen von Hans, als advocatus diaboli, zu seinem Projekt.

Wir haben uns ja mal persönlich getroffen – ich hab Dich als eher friedlichen und wenig furchteinflössenden, um nicht zu sagen freundlichen und sympathischen Menschen erlebt. Zu anderen Schlüssen könnte man kommen, wenn Du deine Meinung zu Designfragen vertrittst, z.B. hier im Blog – wo Du einmal Redakteur warst. Du gehörst da für mich zum Gründungspersonal der mutig verwegenen, um nicht zu sagen draufgängerischen online-Designdiskussion (ich denke da an den Spiekermann-thread von 2004, der glaube ich das highscore hält: 218 Kommentare … by the way, das war auch mein Einstieg bei slanted, ähem).

Der erste Absatz der Projektbeschreibung von »Street Fighting Years« beschreibt, daß der Kampf für Demokratie manchmal körperliche Gewalt erfordert. Wie ist Dein Standpunkt zum Einsatz von physischer Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele? Bist du Pazifist? Oder RAF-Sympathisant? Oder wie ist der Absatz auszulegen?

Grundsätzlich ist die Ausrichtung von SFY keine politische – abgesehen davon haben meine persönlichen politischen Ansichten nichts mit dem Projekt zu tun. SFY ist so neutral wie man mit dem Sammeln von durchaus sehr politischem Material sein kann.

Dass der Aspekt der Gewalt im Kontext erwähnt wird, hat nun mal mit der eigentlichen Sachlage zu tun – insbesondere wenn man sich die für das Projekt relevante Dekade seit dem Jahr 2000 ansieht. SFY trägt das Kämpfen mit im Titel – allerdings auch, weil es nicht ausschließlich um die physische Auseinandersetzung geht. Kampf hat nicht zwangsläufig mit Gewalt zu tun.

Ich verweise ausdrücklich auf den Zusatz A VISUAL REPORT. Ziel von SFY ist das Erstellen eines Zeitdokuments – mit Hilfe der Social Web-Instrumentarien und einem gedruckten Endprodukt.

Du bist glaube ich der einzige Mensch den ich kenne, der Mitglied bei amnesty international ist. Würdest du dich als politischen Menschen bezeichnen? Wirst du dort auch aktiv?

Mit politischem Engagement will und kann ich mich nicht rühmen. Mein Einsatz bei ai beschränkt sich lediglich auf eine passive Mitgliedschaft, regelmäßige Zuwendungen und das Beobachten von Arbeitsweise und diversen Aktionen.

Die Arbeit von NGOs (»non governmental organizations« wie ai, greenpeace, MSF etc.) sehe ich grundsätzlich eher kritisch. Das Unterwandern von Staatssouveränität oder das langfristige Verhindern der Entstehung von wirtschaftspolitischer Eigendynamik sind beispielsweise zwei Aspekte, die man in diesem Zusammenhang nennen könnte und über die es sich lohnt außerhalb der gängigen Informationskanäle zu recherchieren.

Wenn ich lese, internationale Publikation von 500 Seiten, fürchte ich das nicht nur ein Denkmal dabei herauskommt, sondern unter Umständen so eine Art Pornografie der Protestkultur auf internationaler Ebene – oder ein visuell unterstütztes Abhaken von Ereignissen, die man nun dem Bücherschrank oder dem Coffee-Table überantworten kann. Ich schätze so ist es nicht gemeint?

Nein. Für mich ist das Abbilden in Buchform nicht mit einem Abhaken verknüpft. Im Gegenteil: gelingt SFY tatsächlich eine visuelle Bestandsaufnahme, besitzt es die gleiche Subjekt- und Objektivität wie jedes andere Geschichtsbuch auch. Dass dies dann zwischen zwei Buchdeckeln begrenzt wird, ist Segen und Fluch zugleich. Es existitiert keine unumstrittene Wahrnehmung und Einstufung von Geschichte. Bei SFY nicht und auch nicht bei Sebastian Haffner.

Street Fighting Years sammelt erst mal die Einreichungen (»erst wenn sich die resonanz abzeichnet und ich mehr vorzuweisen habe als das konzept werde ich mich auf verlagssuche begeben. aufgrund der erfahrungen der letzten jahre hab ich mich für diese vorgehensweise entschieden.« Chris in einer Mail im Vorfeld des postings) Wie begegnest Du den Hoffnungen von Einreichern, Fotografen usw. die denken, sie haben nun so eine Art »ticket to fame and fortune« gebucht und stündlich anfragen, wann und wo das ganze jetzt veröffentlicht wird?

Ich biete den Teilnehmern einen kostenlosen Platz in einer unabhängigen Publikation an. Das sind die kommunizierten Fakten. Wird das Projekt von den Menschen angenommen, wird es diese Publikation geben. Notfalls auch in Eigenregie. Damit dies überhaupt gelingen kann, sehe ich meine Verantwortung zunächst in der Verbreitung und Streuung von SFY in den außereuropäischen Staaten. Und dabei bin ich natürlich auf jede Unterstützung angewiesen, die ich bekommen kann!

Ich habe sehr bewusst darauf verzichtet vorab Sponsoren oder Verlage einzubeziehen, da ich sehr genaue Vorstellungen habe und diese keinen marketingstrategischen Auflagen unterwerfen will. SFY ist kein Aquisetool und zunächst auch nicht (buch-)marktkonform. Ich glaube an die Idee, ich kann es nicht ändern. So ist das wohl mit Herzblut-Dingen.

Wie begegnest Du Einreichungen, die aus wirklich prekären oder unklaren Quellen kommen, die unter Umständen gründliches und heikles Nachfragen nach damit verbundenen Zusammenhängen herausfordern und dich unter Umständen in noch laufende 'revolutionäre' Prozesse involvieren. Wär – bei dem Thema – dann nicht eine Art Firewall in Form einer anonymen Redaktion oder eines Verbands, der das trägt, gefordert? Also ich würde mich das nicht trauen.

Das ist mit der schwierigste Aspekt von SFY. Die Problematik der prekären Quellen ist natürlich gegeben – wie bei jeder (foto-)journalistischen Arbeit. Ich will an jene Fotos ran, die die Leute bereits auf ihren Handys durch die Gegend tragen. Fotos, die aus einer Art Affekt heraus entstanden und bereits geschossen sind. Gegen die Gefahr einer Manipulation kann ich mich nicht schützen, die wohnt – wie gesagt – jeder Aufnahme inne. Werden Aufnahmen eingereicht, die explizite Gewaltdarstellungen zeigen, wird im Einzelfall entschieden.

Aktuell steht ein Foto von den letztjährigen Millbank-Studentenprotesten in London zur Debatte: Dieses Foto zeigt eine Studentengruppe auf dem ca. 20m hohen Dach eines Gebäudes. Ein Feuerlöscher wird nach unten in die Menge geworfen. In diesem Fall benötige ich natürlich eine Erklärung, dass dieses Foto bereits Bestandteil der Ermittlungen ist etc.

Es gibt zig mögliche Konstellationen wie SFY verlaufen könnte. Ich kann es nicht kalkulieren. Es erfordert permanente Aufmerksamkeit und vielleicht irgendwann auch Kurskorrekturen. Der erste Schritt ist getan – SFY steht im Web.

Letzte, nicht ganz ernsthafte Frage: Wir sind – Zufall oder Notwendigkeit – beide unabhängig voneinander seit ein paar Wochen bei facebook, auch SFY hat eine facebook Seite, die einen auf dem laufenden Stand hält (Gefällt mir!) – Du hast eine dieser ominösen Fragen beantwortet – Which of these NME 100 Best Albums do you have – und bist mit sagenhaften 43 Stück dabei (congratulations … ich hab 14) – was werden die Simple Minds zu diesem Projekt sagen?

Facebook wird wohl über das Gelingen von SFY entscheiden – die eigentliche website steuert primär den Upload und die damit verbundene rechtliche Prozedur. Herzlichen Dank an dieser Stelle an Joe Wahler für seine technische Unterstützung!

Ja, ich kenne das Album der Simple Minds. Und es ist in der Tat so, dass ich diesen Titel über die Jahre immer mochte und er letztlich wohl auch Pate stand für das Projekt. Ich habe das zwar nie bewusst verknüpft, aber er kam mir immer wieder in den Sinn, wenn etwas auf der Straße los war. Allerdings gibt es auch eine Publikation über die Stones, die ebenfalls so betitelt ist – wahrscheinlich abgeleitet von Street Fighting Man.

Danke, Chris und gutes Gelingen. Venceremos!

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