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Cunnilingus in Korea

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Wer die URL www.yhchang.com anklickt, und dort einen Link "Cunnilingus in Nordkorea" sieht, könnte meinen er würde auf einer Pornoseite gelinkt. Doch dort gibt es nichts schlüpfriges zu sehen. "Cunnilingus in Nordkorea" ist ein Kunstwerk des Künstlerpaares Marc Voge und Young-Hae Chang, die unter dem Logo "Young-Hae Chang Heavy Industries" (YHCHI) von Seoul aus Internet-Kunst in sieben verschiedenen Sprachen produzieren. Schon der Name ist Ironie. Denn die beiden Künstler haben nichts mit Schwerindustrie zu tun, sondern bewegen sich in den freien Strömen des Internets, ein Virus im System, eine heimtückische Schwachstelle im Wirtschaftswunderland Südkorea.

Das Internetkunstwerk "Cunnilingus in Nordkorea" funktioniert ohne Bilder, dafür mit blinkenden Sätzen zu computergenerierter Musik.

YHCHI zerstampfen Sprachregelungen und Tabus - was manchen erbittert: Fast täglich gehen Hassmails ein und Drohungen, es könne den beiden eines Tages etwas zustoßen. "Cunnilingus in Nordkorea" entlarvt die Verlogenheit der offiziellen Politik. Nordkoreas "geliebter Führer" Kim Jong-Il gilt vielen im Süden nicht mehr als Monster, sondern als sensibler, wenn auch etwas unberechenbarer Herrscher über den sozialistischen Fortschritt. In dessen Genuss - so die Message, die der "liebe General" Young-Hae Chang angeblich Heavy Industries im Netz zu "präsentieren" bat - sollen vor allem die nordkoreanischen Frauen kommen. Ihnen werde bisher nie dagewesene Lust bereitet, wodurch die Dialektik von Sex und Geschlechtszugehörigkeit aufgehoben und überhaupt die Überlegenheit des Nordens über den südkoreanischen Nachbarn hinreichend unter Beweis gestellt werde. Nordkorea als Garten der Lüste - das muss in einem scheuen Land wie Südkorea, wo sich Paare auf der Straße nicht einmal berühren dürfen, hochprovokativ wirken.

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Derzeit sind YHCHI in Berlin zu sehen - zusammen mit drei anderen koreanischen Gegenwartskünstlern in der Ausstellung "Four from Korea", die in der Ostasienabteilung der Staatlichen Museen gezeigt wird. Gemein ist allen das Bedürfnis, stromlinienförmige soziale Prozesse zu unterlaufen - oder, besser noch, zu erfüllen.

Four from Korea, Museum für Ostasiatische Kunst, Berlin, bis 20. November,
Tel: 030-8301 382, Der Katalog kostet 12 Euro.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.259, Donnerstag, den 10. November 2005

Dank an Nora für diesen Tipp!

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