KDE_9912_first.jpg

Kde domov muj / Where is my home

Author:

»Anfang Mai 2008 gewann das Studio Designiq eine Ausschreibung der tschechischen Regierung und wurde damit für ein Buch über die tschechische Nationalhymne beauftragt. Für diese knapp drei Kilo schwere Publikation »Kde domov muj« („Wo ist meine Heimat“) wurde eine neuartige Buchbindetechnik gewählt – die Buchdeckel sind aus einem abgesenkten farbigen Flachglas gefertigt. Die feierliche Vorstellung des Buches fand im Rahmen des Staatsfeiertages am 28. September 2008 im Nationalmuseum statt.

Obwohl der Kunde anfangs nur eine Visualisierung gesehen hatte, entschied er sich für die gewagte Version mit den aus Glas gefertigten Buchdeckeln. Damit begann für das Studio Designiq eine Zeit intensiver Beratungen und die Suche nach einer geeigneten Technologie für die Realisierung dieses Werks. Es stellte sich heraus, dass die Herstellung des benötigten Glases ein leicht zu lösendes Problem war. Der Glasmacher und Künstler Zdenek Lhotsky arbeitete wesentlich am Design der Glasplatten mit und meisterte den gesamten Herstellungsprozess bravourös.

Das grafische Design des Buches »Kde domov muj« stammt von Jan Dobes, Student an der FH Potsdam. Als grafisches Grundelement dieser Publikation wählte er die waagrechte Achse, zu der die einzelnen typografischen Elemente in Bezug gestellt wurden. Als Grundlage der Farbgebung wurden die tschechischen Nationalfarben gewählt, die in diesem Buch in etwas dunkleren und gedeckteren Tönen eingesetzt wurden und graduell von einer in die andere überfließen. Für den Druck dieses Buches wurde ein seidenweiches ungestrichenes getöntes Papier Splendorgel Avorio verwendet.

Geringfügige Probleme traten im Zusammenhang mit dem eigentlichen Buchbindeprozess auf. Die angesprochenen Druckereien waren aufgrund der gewünschten, noch nicht erprobten Buchbindeart, bei der die einzelnen Lagen sichtbar sind und darüber hinaus auch der Buchrücken so zu bedrucken war, dass auf diesem nach dem Zusammenfügen der Publikationstitel erscheint, ziemlich skeptisch und zurückhaltend. Letztlich konnte Marcel Nezbeda von der Budweiser Druckerei Typodesign für diese Arbeit gewonnen werden. (Um die Lagen richtig zu bedrucken, war es notwendig, die Seiten zuerst auf Druckbögen auszuschießen. Danach wurden sie in das Format PDF exportiert und nachfolgend in InDesign eingelesen, um an die von der Druckerei gekennzeichneten Stellen schmale Streifen mit einem Stück des Buchrückenaufdrucks zu platzieren. Dieses Ergebnis wurde neuerlich exportiert und der Druckerei zugesandt.) Als die Druckerei die Papierlieferung erhielt, stellte sich heraus, dass diese nass war, und so musste auf die nächste Lieferung aus Italien gewartet werden… .

Zu diesem Buch gehört auch eine CD mit neuen und historischen Aufnahmen der Landeshymne. Diese CD ist in den hinteren Buchdeckel eingelegt, der, wie auch der vordere, aus zwei zusammengeklebten Pappeschichten und Glas besteht. Dieses gläserne Buch wiegt mehr als zweieinhalb Kilo. Deshalb wurden auch – zum Schutz des Buches vor Beschädigungen – spezielle Hüllen aus einer dreischichtigen Luftpolsterfolie hergestellt. Neben der limitierten Ausgabe in Glas entstand auch eine Variante mit Buchdeckeln aus Papier, die für den allgemeinen Verkauf vorgesehen ist.

An der Entstehung dieser Publikation beteiligten sich der Musikpublizist Gabriel Gössel, der Theatertheoretiker Doz. Dr. phil. Jan Hyvnar CSc., die Musiktheoretikerin Dr. phil. Markéta Kabelková und der Historiker Doz. Robert Sak. Das Buch wurde vom Amt der Tschechischen Regierung gemeinsam mit dem Nationaltheater, dem Nationalmuseum und dem Tschechischen Rundfunk herausgegeben.«

Filip Blazek, Jan Dobes
www.designiq.cz










//Interview mit Jan Dobes, dem Designer des Buches:

Slanted: Gib uns bitte ein paar Informationen über Dich und die Firma, für die Du arbeitest.
JS: Mit der Jahrtausendwende bin ich nach vier Jahren Logik-Studium endlich zu Grafikdesign gewechselt und nach Potsdam gezogen, um an der FH dort anzufangen. Nun bin ich seit vier Jahren in dem Prager Studio Designiq tätig. Filip Blazek, der Gründer der Agentur, ist in der Branche sehr aktiv. Er betreibt das Portal www.Typo.cz, die Zeitschrift Typo, usw. Wir wollen nicht nur schöne Dinge produzieren, sondern auch den Massen Kenntnisse über unsere Fach vermitteln.

Slanted: Was ist Deine Grafikdesign Richtung? Wie würdest Du Deinen Stil bezeichnen? Wo liegen Deine Stärken?
JS: Ich habe mich schon am Anfang auf Bücher und Drucksachen konzentriert und die neuen Medien vermieden. Mich reizt dort vor allem die Verbindung von typografischer und handwerklicher (oder eher industrieller) Präzision, man muss auf alle Details aufpassen; erst dann kann man ein wertvolles Werk in der Hand halten, feines Papier durchblättern und in die Inhalte eintauchen. Heute sagt man eher Kommunikationsdesign, der alte Name Gebrauchsgrafik bedeutet aber, dass der Typograf kein Künstler ist, sondern ein Diener für die Inhalte. Vielleicht bin ich also ein Minimalist und Funktionalist, der genießt, mit feinsten Detailen zu spielen? Die beste Herausforderung stellen für mich wissenschaftliche Texte dar, bei denen man auch etwas von der Sache und Struktur des Buches begreifen muss. Oft wird man dabei gebeten, die wilden Grafiken von Excel oder Powerpoint für den Leser leicht lesbar zu machen…

Slanted: Ja, das kennen wir auch. Kannst Du uns eine kleine Beschreibung Deiner Arbeit geben?
JS: Anfang Mai 2008 gewann das Studio Designiq eine Ausschreibung der tschechischen Regierung für ein Buch über die tschechische Nationalhymne. Obwohl der Kunde anfangs nur eine Visualisierung gesehen hatte, entschied er sich für die gewagte Version mit den aus Glas gefertigten Buchdeckeln. Damit begann eine Zeit intensiver Beratungen und die Suche nach einer geeigneten Technologie für die Realisierung dieses Werks. Den Buchrücken haben wir offen gelassen – die einzelnen Lagen sind zu sehen und bedruckt bilden sie zusammen den Motiv. Die Buchdeckel bestehten aus zwei zusammengeklebten Pappeschichten und Glas, in der hinteren Decke ist noch eine CD integriert. Der Glasmacher und Künstler Zdenek Lhotsky arbeitete wesentlich am Design der Glasplatten mit und meisterte den gesamten Herstellungsprozess bravourös. Natürlich gab es auch mit der inneren Gestaltung Arbeit genug…

Slanted: Welche Bedeutung hat für Dich Design im Zusammenhang mit der Nationalhymne?
JS: Was hat überhaupt Design und Nation zusammen? Kann man zu diesem als Designer noch etwas Neues sagen oder reicht es einfach einen Band in den Nationalfarben zu gestalten? Nach allen Überlegungen halte ich für wichtig, gegen den Stereotypen zu kämpfen. Die Publikation soll teilweise auch repräsentativ für die Republik sein – und so muss man doch nicht stets nur die Prager Burg und Karlsbrücke zeigen. Auch die Nationalfarben rot und blau sind etwas gedeckter getönt und im Gradient von einer in die andere überfließen. Dem Inhalt ist natürlich ein etwas konservatives Design gemäß, andererseits möchte man aber auch zeigen, dass wir in der Zukunft leben, dass man nach neuen Kombinationen nicht nur in der Buchkunst, sondern auch im Leben und in der Politik suchen kann. Natürlich, erst wenn man von der Historie belehrt wird…

Slanted: Wie bist Du auf die Idee mit dem Glas gekommen? Was steckt dahinter?
JS: Am Anfang hatten wir dem Kunden drei Entwürfe gezeigt: einen Band mit Holzdeckel, ein Objekt, bei dem das Buch inmitten eines Holzzylinder gebunden ist und den Band mit Glasdeckel. Da war uns noch nicht ganz klar, wie man das Glas auf das Buch befestigt, wir haben allerdings an die lange Tradition der Glaskunst in Böhmen geglaubt. Wir wollten ein typisches Material in einen neuen Zusammenhang bringen. Natürlich braucht Glas als ein leicht zerbrechliches Material einen Schutz, so kam noch ein anderes „Techno-Material“ zur Wort – die Luftblasenfolie…

Slanted: Was möchtest Du mit Deiner Arbeit aussagen?
JS: Die Autoren wollten etwas von der tschechischen Historie und der „Wiedergeburt“ der Nation in den letzten Jahrhunderten zeigen. Meine Aufgabe war zu illustrieren und zu zeigen, dass die Ideen noch leben und neue Gesichter annehmen.

Slanted: Wie bzw. wo wäre die ideale Anwendungsweise?
JS: Die limitierte Auflage von 600 Stück mit Glasdeckel ist vor allem für die Repräsentation der Regierung geeignet. Deswegen ist der Text gleich auf Tschechisch und Englisch. Dann gibt es eine „Volksversion“ ohne Glas, für den Markt.

Slanted: Worauf an deiner Arbeit bist du besonders stolz? Was gefällt dir persönlich am besten? Gibt es irgendein interessantes oder außergewöhnliches Detail? Oder was ist an deinem Werk ganz besonders?
JS: Ja, normalerweise leistet der Grafiker eine Arbeit, die kaum einer sieht. Hier muss man sich wenigstens fragen – wo kam das Glas her? Natürlich ist man zufrieden, wenn man als Gestalter akzeptiert wird und man nicht die Schriften nach Kundenwusch ändern muss oder wenn man mit einem interessantem Material arbeitet und kluge Leute als Partner hat…

Slanted: Arbeitest Du eher darauf los oder gibt es lange Konzeptionsphasen?
JS: Es gibt nicht unendlich Zeit für lange Konzeptionsphasen – und die Idee darf auch nicht in den allen Konzepten verlieren werden. Entweder hat man etwas zu sagen oder einfach nicht. Nicht jedes Buch muss – von der Designseite – ein philosophisches Werk sein, es muss aber immer lesbar sein. Was hat der Leser davon, wenn ihm die Grafiker weißmachen, dass der häßliche Satz von unterstrichener Times NewRoman am fotografischen Hintergrund das letzte Designkonzept wäre?

Slanted: Was inspiriert Dich?
JS: Gute Frage… Dass ich von Prag in den Wald umgezogen bin?

Slanted: Wie lange hast Du an Deinem Werk gearbeitet?
JS: Im Frühling habe ich mit dem Design angefangen und die ganze Ferienzeit über hat der Satz, die Korrekturen und die Bilderbearbeitung dann gedauert! Das war mein Sommer 2008.

Slanted: Hast Du Vorbilder? Was interessiert Dich an dieser/n Person/en? Welche Arbeiten gefallen Dir?
JS: Heutzutage könnte man Dutzende Vorbilder haben. Letzendlich will man aber auch etwas Neues leisten. Vielleicht ist es heute nicht mehr so „in“, aber Design von der Schweiz finde ich immer wieder nett und klug.

Slanted: Hast du einen Tip für Studenten, die kurz vor ihrer Diplom- oder Bachelorarbeit stehen?
JS: Ich bin im 19. Fachsemester eingeschrieben und noch immer nicht kurz vor dem Diplom…

Slanted: Was sind Deine Träume für die Zukunft?
JS: Kluge Kunden, die zu mir von selbst in den Wald kommen…

Slanted: Vielen Dank für das Interview. Und Dir alles Gute – für das Studium und für Deine Zukunft und Dein Leben “im Wald”.

KDE_9912_first.jpg