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RIP – Arial

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Die meistbenutzte Schriftart der Welt - und sicher eine der umstrittendsten des letzten Jahrzehnts wird wohl nun endgültig beerdigt. Die seit jeher in der grafischen Benutzeroberfläche des Betriebssystems aus Redmond hautpsächlich zum Einsatz kommende, und mittels dessen marktbeherrschender Stellung zu weltweiter Präsenz gelangte Schrifttype ›Arial‹ wird wohl in zukünftigen Programmversionen nicht mehr Standart sein.

Leicht zu erkennen an dem oben abgeschrägten ›t‹, bildet sie leider nicht nur das Rückgrat zahlreicher Firmenpräsentationen und Geschäftsbriefe, sondern ist auch der Status Quo der meisten Texte im World Wide Web und dabei seit jeher ein Dorn im Auge des ästhetisierten Betrachters.
Anders als Max Miedingers Vorbild ›Helvetica‹ (1957 in einer Zeit entwickelt, als man klare, schnörkellose Gestaltung und Typographie besonders eng mit Modernität und kosmopolitischer Haltung verband), zeigt die ›Arial‹ mit ihrem mangelhaften Grauwert, unausgeglichener Laufweite und ihren Artefakten (durch die schlechte Umsetzung in B-Splines) all jene Schwächen, die gute Typografen in der Tradition jahrhundertealter Erfahrung vermeiden.

Die Offenlegung ihrer plagiaten Herkunft und zugleich eine offensichtliche Anmaßung wurde seit jeher in einem der zahlreichen .ini-Files des benannten Betriebssystems offenbar: In der Rubrik Schriftersetzungen heißt es bereits seit 1992 lapidar ›Helvetica=Arial‹.

Um Lizenzgebühren an Linotype zu vermeiden ließ man eine schlechte Kopie der bereits in den 70er Jahren zur Ikone gewordenen Schrifttype schweizer Präzision erzeugen - der Schriftstandart für Power-User und Hobbygestalter war geboren (1998 erweiterte man in den gängigen Büroapplikationen des gleichen Herstellers noch die Möglichkeiten des brachialen Umgangs mit Schrift durch Funktionen für das freie Verzerren dieser).

Nun also wird diese Ikone der Demokratisierung des Schriftsetzens und Gestaltens - ja wenn auch nicht abgeschafft - so doch ergänzt durch ›Segoe‹, einem Clone der von Adrian Frutiger in den 80er Jahren entwickelten ›Frutiger‹. Denn, wohl ähnlich der genveränderten Flora, einmal in die Welt gesetzt, läßt sich der Verbreitung wohl kaum Einhalt gebieten.

Freuen wir uns also auf Postwurfsendungen und Geschäftsbriefe der nächsten Jahre, für die, neben der guten alten ›Arial‹ und den leider auch immer wieder in dieser Form in Erinnerung gerufenen ›Comic Sans‹ und ›Marker Felt‹, nun noch eine neue Nische der gestalterischen Freiheit den geknechteten Sekretärinnen und Sachbearbeitern geöffnet wurde.

Luftige Grüße aus San Serife,
Kwotes
28.04.04

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