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see conference #4

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Auch im Rahmen der Designtage Wiesbaden fand gestern die vierte see conference in Wiesbaden statt. Veranstaltungsort war die Caligari Filmbühne, ein Programmkino vergleichbar mit der Schauburg in Karlsruhe.

Im Vorfeld der Konferenz dachte ich irgendwie bei »see« die ganze Zeit an »See«. Klar, Wiesbaden liegt ja an keinem See. Und das Motto der Konferenz ist schließlich die »Visualisierung von Informationen«; aktuelle Trends, wie man der heutigen Datenflut begegnen, sie sichtbar und erlebbar machen kann. Der Ansturm auf die Konferenz war so groß, dass die Veranstalter locker neben den 450 Teilnehmern 300 weitere unterbringen hätten können, wenn der Veranstaltungsort dies zugelassen hätte. Vielleicht ja im nächsten Jahr. Dafür gab es eine eine Screen-Übertragung für alle, die kein Ticket mehr erhielten.


Scholz & Volkmer, die Organisatoren, die aufgrund eines gelben Tape-Streifens auf dem Rücken immer gut zu erkennen waren, laden jedes Jahr bewusst Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen – Design, New Media, Architektur und Kunst – ein. Neu in diesem Jahr war die Blickwechsel-Ecke bei der Studierende und andere Konferenzbesucher sich mit Mitarbeitern der veranstaltenden Agentur austauschen konnten.


Als ich gerade meinen Platz mit guter Sicht von der Empore eingenommen hatte, begann auch schon der erste Vortrag, der Keynote-Vortrag, der bei der see conference immer auch einen Blick über die Branche hinaus wirft. Der Hirnforscher Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth von der Uni Bremen sprach über die Wahrnehmung und Verarbeitung von Bildern und auch, warum sie mehr wirken als Worte. Teile des Vortrags, zum Beispiel der Aufbau des Auges und der Retina, kamen mir noch aus dem Biounterricht bekannt vor. Überrascht hat mich, dass man gerade erst in den letzten Jahren an einige neue Erkenntnisse kam und diese bestätigte. Jetzt ist mir jedenfalls klar, dass das Sehen aus Nervenimpulsen besteht und das Gehirn rekonstruiert, was die Zeichen bedeuten (eine Entdeckung von Hermann Helmholtz), dass Wahrnehmung im Wesentlichen auf der Gedächtnisleistung beruht und dass in der Großhirnrinde, das Bewusstsein für Intelligenz sitzt. Und da Zahlen immer am meisten wirken: Das Gehirn benötigt nur eine Drittel Sekunde, um Bilder zu erstellen, die dann gesehen werden. Von dieser Drittel-Sekunde bekommt der Mensch allerdings gar nichts mit. Und eine halbe Sekunde genügt, um zu sagen, ob ein Mensch einem sympathisch ist oder nicht. Mehr als fünf Zahlen kann man nicht wahrnehmen; bei Bildern kann man zwar zwei parallel betrachten, das Auge muss sich jedoch immer für eines entscheiden. Ganz interessant auch die Antwort von Professor Roth auf die letzte Frage während der Fragerunde, wie man das Gehirn trainieren könne. »Übung, Übung, Übung«, lautete die Antwort des zweifach promovierten Wissenschaftlers, die wir der gesamte Vortrag sehr gut bei den Zuhörern ankam.


Der zweite Sprecher, Erich Rodenbeck, hat sich mit seiner 8-köpfigen Agentur Stamen Design in San Francisco auf außergewöhnliche Mapping- und Datenvisualisierungstechniken spezialisiert. Capspotting ist zum Beispiel ein Projekt, bei dem man in Echtzeit sieht, wo in San Francisco leere oder volle Taxis fahren und welche Wege sie vor 4 Stunden gefahren sind. Mit cloudmade kann man verschiedene Arten von Karten erstellen. Rodenbeck mixt zum Beispiel auch gern verschiedene Arten von Karten (Grafiken und Satellitenbilder) um Storys zu erzählen und hervorzuheben. Ein Projekt, das noch in Arbeit ist, ist Crimespotting Oakland: Hier sieht man auf einer Karte, wann und wo zum Beispiel Überfälle oder Morde in der Stadt passieren und auf einem Zeitstrahl zeigt ein Balkendiagramm zudem die Häufigkeit der Vorfälle.



Nach diesen zwei Vorträgen gab es in der Mittagspause sehr leckeres Essen von einem Caterer. Schade nur, dass dieser nachmittags nicht mehr da war. Der ein oder andere Muffin hätte bestimmt noch seine Abnehmer gefunden.

Der neuseeländische Künstler und Software-Entwickler Julian Oliver eröffnete den Mittag. Ein Programm, das er entwickelt hat, heißt »Packet Garden«. Es lässt Pflanzen entstehen, die das Internetnutzungsverhalten (icq, mail, etc.) abbilden. Weitere Projekte, die er vorgestellt hat, waren Levelhead, ein räumliches Memoryspiel, oder Artvertiser, eine Software, die an öffentlichen Plätzen Werbung an Gebäuden durch Kunst ersetzen soll.



Als nächstes war der Architekt Gijs Joosen mit seinem Vortrag »Architecture = Information« an der Reihe. Er stellte uns einige Projekte der Agentur ONL vor, bei der er technischer Direktor ist. Zum Beispiel Gebäude, die in Echtzeit auf Wünsche und Neigungen ihrer Nutzer eingehen können (z.B. Temperatur, Deckenhöhe etc.), ein BMW, der seine Form verändern kann oder beeindruckende Gebäude in Dubai und Abu Dhabi, die er nach genauer Quadratkilometervorgabe der Kunden (zum Beispiel 40.000 oder 21.604 qm) realisieren sollte. Für viele seiner Arbeiten holt sich Joosen beim Auto-Design Inspiration und gibt diese bei Studenten-Projekten weiter, wenn diese beispielsweise einen veränderbaren 6m hohen Turm mit Muskeln bauen sollen.

Sebastian Oschatz, Mitbegründer und Geschäftsführer der Frankfurter Agentur Meso, hielt den zweiten deutschen Vortrag des Tages. Er stellte folgende vier Projekte aus der Kategorie »Visualisierung im Raum« vor: EnBW-Globe, ISH Table, CDW-Tisch und eine Weltkugel für BASF. Zudem sprach er über die von seiner Agentur entwickelte grafische Programmiersprache vvvv, eine Hallen-Show für Mercedes Benz auf der IAA 2007 sowie über eine Bühnenshow komplett aus LEDs für George Michael, welche 110 Mal aufgeführt wurde.



Der letzte Vortrag des Tages versprach ein weiteres Highlight zu werden, was es auch wurde: Der amerikanische Medienkünstler Aaron Koblin, der derzeit beim Google Creative Lab in San Francisco arbeitet, sprach über »Data as Art«. Sehr bekannt ist seine visuelle Interpretation des Radiohead-Videos »House of Cards« bei der er mit Lasertechnik Daten für eine interaktive 3D-Visualisierung gewann. Ein anderes Projekt: Mit Current City sieht man Stadtansichten von oben wie beim Flugzeug, nur in einer etwas anderen Art, zum Beispiel nach der SMS-Aktivität oder anderen Dingen. Weitere Projekte werden auf seiner Homepage gezeigt. Ganz zum Schluss gab Koblin den Zuhörern noch ein paar Tipps wie »You don’t have to use all the data.«, »Let your data free« oder »Work with Radiohead« mit auf den Weg.



Am Besten haben mir die Vorträge von Roth, Rodenbeck und Koblin gefallen, wobei ich den von Aaron Koblin am Interessantesten fand. Andere Meinungen von Teilnehmern sind in den Kommentaren gerne willkommen.

Ansonsten: Konferenzen finde ich ohnehin immer gut zur Inspiration und Horizonterweiterung (bei dieser ging es ausnahmsweise mal nicht in erster Linie nur um Design) und zum Networking (bereits im Zug lernte ich jemanden kennen, der mir netterweise beim Transportieren der Slanted-Magazine behilflich war). Wenn es also vom Teilnahmebetrag her erschwinglich ist, kann ich solche Veranstaltungen gerade Studenten immer empfehlen.





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