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see conference #7 / Eindrücke

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Am Samstag, den 28.04.2012, fand die See Conference #7 statt. Die ausgefallene Location hat sich bewährt: Wie im letzten Jahr wurden die Vorträge über »Visualisierung von Information« in der Lutherkirche Wiesbaden gehalten. 

Viele können es sicher nicht mehr hören: »Nachhaltigkeit«. Der Veranstalter der See Conference, die Agentur Scholz & Volkmer, bleibt seinem Schwerpunktthema allerdings nachhaltig treu. Die »drängensten Probleme« seien »soziale Probleme, Umweltprobleme, Klimawandel etc.«. Und es ginge eben darum als Kommunikationsprofi einen (wenn auch nur) winzigen Beitrag zu leisten. 

Den Anfang machte der Autor und Meeresbiologe Dr. Thomas Henningsen, der bei Greenpeace internationaler Kampagnendirektor für Europa ist und an der internationalen Klima- und Arktiskampagne mitarbeitet. Er sprach über die provozierenden und polarisierenden Bildkonzepte von Greenpeace. Mit den Bildern will die Organisation nicht nur emotionalisieren, sondern auch informieren: über die nachhaltige Zerstörung der Erde. Es gibt einerseits die Fotos und Videos, die die Verschmutzung der Meere oder die Tötung von Tieren zeigen, dann Bilder, die bestimmte Aktionen von Greenpeace dokumentieren, andererseits aber auch Infografiken, die sich besser für bestimmte komplexe Sachverhalte eignen. Oder eben Bilder, die z.B. den Papierverbrauch von vor 50 Jahren mit dem von heute vergleichen.

Aus dem Publikum kam die Frage, ob sich Greenpeace nicht neu orientieren müsse, die Zeit der negativen Haltung (des Gegen-etwas-Seins) sei doch vorüber. Henningsen meinte, man wolle immer noch aufrütteln, aber auch vermitteln, dass es noch nicht zu spät sei, es Lösungen gäbe und man gemeinsam die Situation ändern könne.

 

Der Philosoph, Medien-, Kommunikations- und Designwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Bolz, der den zweiten Vortrag hielt, ging ebenfalls auf diese Frage ein. Seiner Meinung nach sollte sich Greenpeace mehr auf diese optimistische Haltung einlassen und stärker das »Wir retten die Welt« vermitteln. Die Gesellschaft hat sich verändert hin zu mehr Mitbestimmung und viele Menschen nehmen gerade Dinge selbst in die Hand (wie das Beispiel der Piraten Partei zeigt).

Bolz spricht sich für die »Versöhnung Aufklärung und Storytelling« aus. Seit der Aufklärung herrscht die allgemeine Auffassung, dass Fakten (Informationen) für sich sprechen müssen. Aber allein mit Text oder der Auflistung von Zahlen kann man niemanden faszinieren. Und das muss man in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit ein knappes Gut ist. Außerdem muss man unterscheiden zwischen »informativen« und »wichtigen« Informationen: Eine Information (z.B. die pq-Formel aus der Mathematik) kann zwar eine logische Tiefe haben (sie ist wichtig zum Lösen best. Probleme), aber wichtig ist sie damit noch lange nicht für alle Menschen. Indem man eine Geschichte um die Information konstruiert oder sie verbildlicht, kann man dem Rezipienten besser deutlich machen: »Das betrifft genau dich und ist deswegen auch äußerst wichtig für dich.« 

Nach der Bilderflut von Henningsen, die gerade in der Kirche eine unglaubliche Wirkung hatte, war der Vortrag von Bolz totales Kontratsprogramm: Er verzichtete auf Videos, Bilder, ja, Folien insgesamt. Natürlich kam die Frage, warum er sich dafür entschieden hatte. Bolz lehrt als Professor und hat die Erfahrung gemacht, dass seine Studenten (gerade aus dem Designbereich) ihre Folien viel besser und vor allem ohne Power Point gestalten. Da hat er beschlossen, auf seine Stärken zu setzen und vollkommen frei zu sprechen. Am Samstag hatte er einen Notizzettel dabei und viele Zuschauer waren neugierig, was darauf steht bzw. wie dieses Papier gestaltet ist. Er hat ihn kurzerhand zur Veröffentlichung freigegeben.

Stefanie Posavec http://www.itsbeenreal.co.uk/, Autorin und Designerin aus London, stellte einige ihrer Projekte vor. In “Writing without words” und “Rhythm Textures” löst sie die Komplexität des Geschriebenen auf und überführt sie in abstrahierte Grafiken. Nicht nur ihre Ergebnisse sind beeindruckend, sondern auch die Wege dahin. Posavec zeigte viele ihrer Skizzen und Ausarbeitungen, die sie gerne per Hand und nicht am PC macht.

Die Besucher der Konferenz wurden nach der ersten Pause von einem Special Act wieder in die Kirche gelockt: Der Filmkomponist Ralf Wengenmayr gab ein interessanter Orgelkonzert. Es war eine Art Experiment, da er vollkommene frei umsetzen durfte, was er wollte.

Anschließend berichtete Ben Kreukniet von seiner Arbeit bei UnitedVisualArtists. Der Lichtdesigner hat an vielen großen Projekten mitgearbeitet, u.a. am Stage Design für die Red Hot Chili Peppers Tour, die 2011 startete. Dafür wurde eine komplexe Lichtinstallation entworfen, die in direkter Verbindung mit der Musik und den Bewegungen der Band steht. Die »Informationen des Auftritts« werden in Licht übersetzt und so an das riesige Publikum weitervermittelt.

Weitere Vorträge wurden von Yannik Jaquet (Mitbegründer von Anti VJ), Michael Madson (Filmregisseur) und Manuel Lima (Gründer von Visualcomplexity) gehalten. Am Sonntag fand ein Blick hinter die Kulissen statt. Einige See-Sprecher leiteten vertiefende Workshops und Diskussionen rund um ihre Arbeiten. 

Die gesamte Konferenz wurde per Video Stream übertragen. Wer die Konferenz verpasst hat oder noch etwas nachlesen möchte, findet Bilder und Texte zu allen Sprechern unter www.see-conference.org. Außerdem haben die Veranstalter viele Fotos online gestellt. 

 

Die Sonne lies sich, auch wie im letzen Jahr, wieder blicken und setzte die Sprecher in der wundervollen Lutherische in ein ganz besonderes Licht. Auch unser zweiter Besuch der See Conference war wieder ein gelungener Tag mit Vorträgen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Von Vorträgen theoretischer Ansätze sowie verschiedenster Projekten aus der Praxis. Endlich war auch eine Frau auf der See Conference vertreten. Der Vortrag von Stefanie Posavec zeigte einen anderen Ansatz von Datenvisualisierung. Ihre Visualisierung der Buchinhalte haben etwas sehr ästhetisches und selbst bezeichnet sie sich auch eher als “Data Illustrator”.

Im Gesamten hat man wieder ein breites Spektrum aufgezeigt bekommen, in welche Richtungen die Visualisierung von Informationen gehen kann. Das ist etwas, was wir an der See schätzen und wir hoffen auch, dass dies weiter fortgeführt wird.

Text: Anja Neidhardt und Sarah Schmitt

Fotos: Anja Neidhardt und das Team der See Conference 

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