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DIN

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Die DIN wurde vom Deutschen Institut für Normung entwickelt. Wann und von wem, weiss man dort nicht. Das wiederum weiss ich aus erster Hand, weil ich auf einem Betriebsausflug ins Deutschen Institut für Normung in Berlin war. In einem kargen Sitzungszimmer sprachen wir mit einem Mann in weisser Laborschürze und dicker Hornbrille über Normen, Vorschriften und Regeln. Wir unterhielten uns über Schrift im allgemeinen und die DIN im speziellen. Der Doktor wusste viel von vielem, nur von der DIN-Schrift wusste er kaum etwas. Ein unbekannter Ingenieur war abkommandiert worden, um anstelle einer Brücke eine Schrift zu zeichnen. Das Institut brauchte dringend eine Einheitsschrift, damit im ganzen Land Verbote, Einschränkungen, Vorschriften und Limiten unmissverständlich kommuniziert werden konnten. Der Ingenieur, der es nicht besser wusste, konstruierte die DIN Mittelschrift. Eine schlichte und primitive Schrift mit dem Charme einer Unterführung. Ganz in Ordnung. Doch der Ingenieur wollte höher hinaus, wurde übermütig und machte leider ein paar affektierte und überflüssige Eingriffe: Er schnitt die Enden von e,s,r und a schräg ab und verpasste dem l einen läppischen kleinen Schwenker.
Aber gut, die DIN war da, wo sie hingehörte, ihren Zweck erfüllte und niemandem weh tat: am Strassenrand. So wäre es auch geblieben, wenn nicht Alber-Jan Pool und (einmal mehr) Fontshop auf den Plan getreten wären. Die beiden waren es, die der DIN ihre Würde raubten. Die finstere Idee vom Redesign kam vermutlich von Fontshop, und Pool war das willige Werkzeug in den Händen von Erik Spiekermann. Pool ist bekannt als ein besonders geschmackloser Designer. Er war es, der die OCR um den Schnitt F (F wie Fontshop, Fett und Fake) erweiterte. Die OCR-F ist ein extra bolder Schnitt der OCR-B und unterscheidet sich von ihr vor allem auch dadurch, dass sie nur so tut als ob sie monospaced wäre – womit Pool beweist, dass er das Wesen dieser Schrift nicht verstanden hat. Von der OCR-F sollte man auf alle Fälle die Finger lassen.

Der üble Pool erweiterte also die DIN Mittelschrift um die Schnitte Light, Regular, Medium (die der ursprünglichen? DIN 1451 Mittelschrift entspricht), Bold und Black.
Mitte neunziger Jahre wurde die Schrift lanciert und im Sommer 2000 schrieb das Deutsche Institut für Normung e.V. in ihrem Geschäftsbericht, den uns der Doktor mit der Hornbrille beim Abschied in die Hand drückte: «Die DIN-Schrift erfreut sich gegenwärtig bei Medien-Designern grosser Beliebtheit.»

Das war vor vier Jahren und es kommt immer schlimmer : Inzwischen ist die DIN buchstäblich überall, und ich meine ÜBERALL. Für restlos alles wird diese lahme Schrift eingesetzt: Banken, Technolabels, Versicherungen, Lounges, Softdrinks, Zigaretten. Nun kann man einwenden, dass auch Schriften wie Helvetica und Univers omnipräsent sind. Das stimmt, aber im Gegensatz zur DIN haben diese Schriften Niveau, sie haben die Möglichkeit, unsichtbar zu werden. Die ungelenke und limitierte DIN kann das nicht, sie schreit stets: «Ich bin’s, die DIN!»
Mein Freund Anus formulierte es so: Die DIN ist wie eine Person mit einem Sprachfehler, die man anfänglich wegen ihrer Eigenheit vielleicht noch charmant und lustig findet, über deren penetrantes Lispeln und Zischen man sich aber immer mehr nervt und der man schliesslich die Fresse polieren möchte, bevor sie überhaupt den Mund öffnet.

So ist das mit der DIN; sie wird von Fontshop vertrieben.

Dieser Artikel erschien in SOdA, Ausgabe 26
Autor: Manuel Krebs. Norm (Vielen Dank und beste Grüße, Lars)

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