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Dreigroschenoper

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Heute, 20 Uhr ist Premiere — im frisch renovierten Admiralspalast in der Friedrichstraße werden sich ABC-Promis einfinden und mit Campino im Blitzlichtgewitter posieren. Davor hat eine überdimensionale Kampagne dafür gesorgt, dass jeder noch so kulturresistente Berliner über die Neuinszenierung von Brechts bekanntestem Stück informiert ist.

»WIR MACHENS MITTEN IN BERLN« schreit das Ensemble in orangen Versalien aus violetten Megasprechblasen und Campino bekennt lautstark: »ICH MACHS ZUM ERSTEN MAL« – die Dreigroschenoper ist 50 Jahre nach Bert Brechts Tod und 78 Jahre nach ihrer Uraufführung unwiderruflich im lärmenden Wegwerf-Pop der Blue Man-Group angekommen. Schon in den 30er Jahren war der später in den USA als Kommunist verfolgte Dramatiker von denen umjubelt worden, die er mit seiner Gesellschaftskritik torpedieren wollte, doch wie im Jahr 2006 sein Stoff verpackt wird, lässt ihn vermutlich im Grab Purzelbäumen schlagen.
Die Macher nennen die Kampagnensprache »gossenhafte Brecht’sche Vitalität«, doch das gewollt Freche ist schon auf den zweiten Blick harmlos angepasst – statt kecken Sprüchen wie bei Astra-Bier gibt's gähnende Prince-»Schmeckt nicht jedem«-Anzeigen. Die Vermarktungsform begibt sich auf Augenhöhe mit Lloyd Webber-Schnulzen und den Blaumännern aus der Intel-Werbung. Vermutlich fehlte nicht zuletzt wegen der Partnerschaft mit der Deutschen Bank der Mut tatsächlich polarisierende Brechtsprache in die Staßen zu plakatieren.

von Martin Jordan

»Ich freue mich auf Mackie Messer« sagt Deutsche-Bank-Vorstand Tessen von Heydebreck im Tagesspiegel, der als Hauptsponsor das »Theaterereignis im Brecht-Sommer 2006« kofinanziert. Rund 9 Millionen hat die Kulturförderung der Deutschen Bank 2005 in Berliner Projekte investiert: »man darf den Heimatmarkt nicht vernachlässigen«, argumentiert von Heydebreck und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Was sein Vorstandsvorsitzender Dr. Josef Ackermann mit Nachrichten von Rekordgewinnnen und synchronen Massenentlassungen an Image ramponiert, sollen Förderungen in die Berliner Philharmonie und die Deutsche Guggenheim unter den Linden wieder kitten. Doch die aktuelle Investition scheint weniger gründlich taktiert als die bisherigen.

Das Kulturangebot Berlins wird als »Markt« verstanden und die Dreigroschenoper als »Marke« inszeniert — nichts taugt nicht zur Imagepolitur. Und die beauftragte Designagentur des Stücks prahlt vollmundig, dass sich »bis zur Premiere das Zusammenspiel aller Kommunikationselemente zu einer geschlossenen Inszenierung der Marke Dreigroschenoper steigert.« MetaDesign, unter anderem Auftragnehmer von der Bundesregierung, Siemens und Volkswagen, war in letzter Zeit bereits für die Präsentation der MoMA- und Goya-Ausstellungen in der Neuen Nationalgalerie tätig und etabliert sich derzeit als Gestaltungsagentur für kulturelle Großinszenierungen. Begleitend zu zahlreichen Print- und TV-Interviews mit Regisseur Brandauer und Hauptdarsteller Campino ist besonders die Zahl der Werbekontakte in der Hauptstadt massiv: neben hausgroßen Megapostern und einer Armada von Citylightplakaten, finden sich die violetten »WIR MACHENS«-Blasen auch als Anschläge beim Bäcker um die Ecke und als Sticker an jeder dritten Mülltonne. Deutschlands größte Markenagentur verursachte für das Theatergroßereignis geradezu eine polymediale Omnipräsenz – keine Strecke durch die Stadt, auf der man den knalligen Komplimentärfarben und der blockigen Typo aus dem Weg gehen könnte.

Just an dieser Stelle darf sich der Umworbene fragen, ob dieses werbliche Bollwerk nicht längst gänzlich entkoppelt von Brechts Stück unterwegs ist. Und ob der Inhalt der Dreigroschenoper seiner 2006-Verpackung nicht gar diametral gegenüber steht. Was haben die 1928 getätigte, aber zeitlose Gesellschaftskritik und dieser Sponsoring- und Markenkolloss von heute noch gemeinsam?

Die fragende Antwort überlässt der Marxist Brecht seinem zwielichtigen Protagonist Mackie Messer: »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«.

Links:

www.die-dreigroschenoper.de
www.metadesign.de
http://www.tagesspiegel.de

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