peace_alter_doku_01_0.jpg

PEACE, ALTER!

Author:

Martina Armbruster hat sich kein einfaches Projekt für ihre Masterthesis ausgesucht. Sie wollte herausfinden, wie Kommunikationsdesign dazu beitragen kann, die Integration von Ausländern in Deutschland zu fördern. Unter dem Titel »PEACE, ALTER!« arbeitete Martina Design-Workshops für Teenager aus. Das vorerst theoretische Konzept wurde als Pilotprojekt in einer Hauptschulklasse mit sehr hohem Ausländeranteil in Baden-Württemberg durchgeführt und bewertet. In einem Interview hat Martina Armbruster uns alle wichtigen Fakten zu ihrer Masterthesis verraten.

 

Martina Armbruster hat sich kein einfaches Projekt für ihre Masterthesis ausgesucht. Sie wollte herausfinden, wie Kommunikationsdesign dazu beitragen kann, die Integration von Ausländern in Deutschland zu fördern. Unter dem Titel »PEACE, ALTER!« arbeitete Martina Design-Workshops für Teenager aus. Das vorerst theoretische Konzept wurde als Pilotprojekt in einer Hauptschulklasse mit sehr hohem Ausländeranteil in Baden-Württemberg durchgeführt und bewertet. In einem Interview hat Martina Armbruster uns alle wichtigen Fakten zu ihrer Masterthesis verraten.

Wie kamst du auf die Idee dich in deiner Masterthesis mit dem Thema »Kommunikationsdesign als Integrationshelfer für Jugendliche« zu beschäftigen?

Zu Beginn meiner Masterarbeit hatte ich mir die Frage gestellt, was Kommunikationsdesign abseits von den klassischen Betätigungsfeldern noch leisten könnte. Zur selben Zeit erschien auch das Buch »Deutschland schafft sich ab« von Thilo Sarrazin, woraufhin eine riesige Integrationsdebatte quer durch alle Medien stattfand. Und so war das Thema für meine Abschlussarbeit geboren: Was könnte Kommunikationsdesign zur Verbesserung der Integration in Deutschland beitragen? Die Zielgruppe der Jugendlichen kristallisierte sich erst nach einer sehr umfangreichen Analyse der Thematik heraus.

Du sagst, dass du das »Design-Klischee als Lockvogel genutzt hast«. Haben die Jugendlichen so reagiert, wie du es dir erhofft hast? 

Ja, das haben sie. Ich habe mich zwei Wochen bevor der erste Workshop begann den Schülerinnen und Schülern vorgestellt. Und bereits bei diesem Termin waren sie schon begeistert. Während der Workshops waren die Schüler motiviert bei der Sache. Auch wenn es Konflikte gab, wollte trotzdem niemand aus dem Projekt aussteigen. Es machte Ihnen viel Spaß und aufgrund dessen haben sie sich auch den Gruppenarbeiten gestellt. Es war für mich sehr schön zu sehen, dass die Strategie aufging. Im Vorfeld hatte ich mehrere Strategien entwickelt und mich schlussendlich für diese entschieden. Mir wurde doch schnell klar, dass wohl keine Kampagne, kein Plakat oder Fernsehwerbung, keine Guerilla-Aktion und kein Buch dieses Problem lösen könnte. Solche »Beziehungsprobleme« können nur durch den persönlichen Kontakt miteinander gelöst werden. Und die Anziehungskraft von Design auf junge Menschen war die richtige Strategie, um die Jugendlichen verschiedener Herkunft an einen Tisch zu bekommen.

Welche Schwierigkeiten haben dich in der Klassengemeinschaft erwartet? 

Ich habe das Projekt in Zusammenarbeit mit der Klassenlehrerin und dem Schulsozialarbeiter durchgeführt. Im Vorfeld haben wir mehrere Gespräche geführt und sie haben mich dabei auf mögliche Schwierigkeiten hingewiesen. Ich war somit theoretisch vorbereitet, praktisch ist das natürlich noch einmal etwas ganz anderes. Es gab z. B. besonders am Anfang Situationen in denen bestimmte Schüler überhaupt nicht mit anderen Schülern zusammenarbeiten wollten oder sich gegenseitig beleidigten. In solchen Situationen mussten wir schnell reagieren, damit die Situation nicht aus dem Ruder lief. Schlussendlich liesen sich aber alle Situationen v. a. auch durch die Unterstützung der Lehrerin und des Sozialpädagogen gut bewältigen. Das Hauptproblem war für mich, dass sich die Schüler/innen unterschiedlich lange auf eine Aufgabe konzentrieren konnten. So musste ich immer mehrere Projekte in der Hinterhand haben, damit jeder beschäftigt war. Ansonsten wurde es chaotisch und wild.

Wieso hast du dir eine Hauptschulklasse mit sehr hohem Ausländeranteil ausgesucht? Hast du dir davon ein bestimmtes Ergebnis erhofft?

Ich wollte das Konzept unter realistischen bzw. schwierigen Bedingungen testen. Der Ausländer- bzw. Migrantenanteil lag bei knapp über 50%. In der Schulklasse gab es 11 verschiedene Nationalitäten. So ist eine Übertragbarkeit des Konzepts auf andere Schulen und Schulklassen einfacher.

Weißt du, ob sich die Jugendlichen auch weiterhin mit Design beschäftigen werden? 

Das ist doch sehr unterschiedlich. Die Workshops haben aber bei manchen Schülern zu neuen Freizeitaktivitäten geführt. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Zum zweiten Workshop kamen beispielsweise zwei Schüler mit bemalten Schuhen. Sie hatten Schriftzüge auf ihre Sneaker gezeichnet. Ich fand es toll, aber ich weiß nicht, wie ihre Eltern das fanden. Andere Schüler erzählten mir, dass sie sich zu Weihnachten Sprühdosen wünschen werden. Eine Schülerin fragte mich, was man denn für einen Abschluss haben muss, um Design lernen zu dürfen.

Inwieweit hat dich der Workshop inspiriert und auf welche Art und Weise vielleicht auch bewegt?

Die Workshops haben mich tief bewegt. Das ganze Projekt war ein Experiment und ich konnte mich bei der Umsetzung nur phasenweise auf das berufen, was ich im Studium gelernt habe. Beim Umgang mit den Jugendlichen habe ich mich »einfach« auf mein Gefühl verlassen. Ich habe versucht ganz offen auf die Jugendlichen zuzugehen und sie haben dies mir gegenüber auch getan. Darüber war ich sehr dankbar. Es entstand mit der Zeit ein Vertauensverhältnis und man bekam mehr Einblicke in das Leben manches Jugendlichen. Diese Einblicke berührten mich und teilweise war ich auch erschüttert. Natürlich hat es mich wahnsinnig gefreut, die Annäherungen zwischen den Schüler/innen zu sehen. Es gab unter den Schülern sehr anrührende Situationen. Auch Schüler, die sich normalerweise nicht leiden konnten, gaben sich gegenseitig eine Chance. Das war beeindruckend. Auch wenn nicht alles einfach und harmonisch war, so war eine Bereicherung für mich, für die Schüler/innen und v. a. für ihre Klassengemeinschaft. Die Lehrerin und der Sozialarbeiter zogen ebenfalls ein sehr positives Fazit. Es entsteht ein echter Mehrwert, wenn Menschen aus verschiedenen Bereichen ihre Erfahrungen einbringen und zusammen arbeiten.

Im Design hat mich der Workshop dazu inspiriert wieder mehr »von Hand« zu gestalten. Den Computer einfach mal beiseite zu lassen und eine handgemachte Lösung zu erarbeiten oder diese mit Grafikprogrammen zu optimieren. Und ganz nebenbei habe ich eine mögliche Zielgruppe besser kennen gelernt.

Hat dich der Erfolg deines Projekts überrascht? Oder hast du mit diesem Ergebnis gerechnet? 

Ich habe es natürlich gehofft, aber ich habe konnte nicht damit rechnen. Gerade bei einem Pilotprojekt kann man den Ausgang des Projekts nur ansatzweise planen und steuern. Gerade, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Umso schöner war es zu sehen, wie die Schüler im Laufe der Workshops verstärkt den Kontakt zueinander suchten. Gerade an dem letzten Workshop konnte man spüren, dass die Jugendlichen immer mehr füreinander eintraten. Zum Erfolg haben aber auch ganz klar die Klassenlehrerin und der Sozialarbeiter beigetragen. Sie waren einfach offen für meine Vorschläge, haben mir viele Tipps gegeben, mich unterstützt und vor allem haben sie mir ihr Vertrauen geschenkt. Sicherlich sind die Kommunikationsdesign-Workshops nur eine kleine Maßnahme, ein kleiner Baustein zur Verbesserung der Integration. Es wäre dennoch wünschenswert, wenn dieses Konzept auch an anderen Schulen durchgeführt werden würde. Es würde mich freuen, wenn ich durch meine Arbeit auch andere Designer zu sozialen Projekten inspirieren könnte.

Kontakt zu Martina unter [email protected]

peace_alter_doku_01_0.jpg