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Summit Shopping, the Matterhorn is sold von Michael Sieber

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Weiter geht es in unserem Foto-Special, das wir anlässlich der Veröffentlichung des neuen Slanted Magazins #23 – Suisse Issue gestartet haben, mit dem Fotografen Michael Sieber, dessen Arbeit sich auch über die Grenzen der Schweiz bereits großer Bekanntheit erfreut.

Seine Arbeit “Summit shopping, the Matterhorn is sold” ist eine Reportage über die exzessive Vermarktung des Matterhorns. Er bedient gekonnt Klischees der Schweizer und des Schweizer Tourismus und zeigt eine andere Art der Reportage.

Michael Sieber: »Dem Dorf zeigt das Matterhorn seine Schokoladenseite – den weltberühmten süssen Dreizack. Beim Gang durch Zermatt begegnet man der Berg-Ikone auf jedem Meter, sei es als Logo fürs Hotel und den Einkaufsladen, auf dem Brot, als Wurst-Etikette, auf der Sonnencremetube, auf abertausenden von Souvenirs, natürlich auf der Schokolade, auf den Taxis – einfach überall. Es scheint, in Zermatt gäbe es kein Logo ohne Matterhorn. Ob schon einem bei diesem optischen Spiessrutenlauf die Lust auf den Berg vergehen möchte, beim Anblick des echten Matterhorns ist ein Wow-Gefühl garantiert.

Nebst bekannter Silhouette und Schokolade trifft man in Zermatt auf andere Schweizer Stereotypen: Bernhardiner (vom grossen Sankt Bernhard!) posieren mit Touristen vor dem Matterhorn, oder ein Junge treibt als Geissenpeter (aus dem Bündnerland!) die Ziegen durchs Dorf. Kurz, Klischees werden bedient – no matter what.

Summit Shopping, das Matterhorn ist verkauft.«

Michael Sieber im Slanted Interview

Wie bist du zur Fotografie gekommen? 
Da gab es viele Impulse, ein prägender Moment war sicher, als ich als kleiner Junge auf einer Bergwanderung meinen Vater nach seinem Traumberuf fragte, und er antwortete: »Fotograf«. Ich glaube ab diesem Augenblick habe ich angefangen, mich für Fotografie zu interessieren.

Wie kommt es zu einer Motivwahl, welche Themen interessieren dich? 
Ich bin neugierig, am Lack zu kratzen: Wenn eine Oberfläche allzu glatt und glänzend wirkt, fange ich an, mich für die Rückseite zu interessieren. Zudem mag ich Hintergründiges. Die Kamera dient mir dann als Spiegel, der reflektiert, was anderen verborgen bleiben soll. Ich scheue mich auch nicht, tausendfach fotografierte Themen neu anzugehen. Schliesslich ist es schön, als Fotograf das Privileg zu haben, immer wieder in Leben anderer Menschen einzutauchen und sie zu erforschen.

Hast du ein bestimmtes Ziel, das du verfolgst oder bist du auch spontan und lässt dich von auftretenden Umständen leiten? 
Meist gehe ich bewusst los, um für eine Reportage zu fotografieren. Ich mag es, dabei ungestört zu sein. Ein bestimmtes Ziel habe ich dabei nicht, für mich ist es wichtig, die Geschichte nicht schon im Kopf fotografiert zu haben, sondern möglichst mit einer frischen, vielleicht naiven Sicht an die Materie heran zu gehen.

Wie schnell hast du das Motiv? Was muss passieren, damit du abdrückst?
Ich brauche viel Zeit, um zu dokumentieren. Erst muss ich meine Nervosität ablegen, danach kommt eine lange Phase der Anspannung, in der ich voller Konzentration fotografieren kann. Dabei versuche ich, möglichst viele Blickwinkel einzubeziehen, muss wissen, wie es bei Tag und bei Nacht aussieht, von oben, wie von unten, usw. Die wichtigen Bilder entstehen erst, wenn ich in die Situation eingetaucht bin.

Wer oder was inspiriert dich? 
Ich schätze die Arbeit von Martin Parr sehr. Am liebsten würde ich einmal als Aufsteckblitz auf seiner Kamera sitzen. Mich inspirieren Menschen mit einer unbändigen Passion für eine bestimmte Sache, die Hobbys und Freizeitgestaltung anderer. Einfach das Registrieren und Realisieren, wie wir Leben erfassen. Ich erfreue mich an skurrilen Gegebenheiten.

Was macht eine gute Arbeit aus? Was muss sie bieten können?
In erster Linie muss Sie meine Aufmerksamkeit wecken, indem die Arbeit mir etwas zeigt, was ich so noch nicht gesehen habe. Ein neuer Ansatz, eine erfrischende Bildsprache, wenn möglich ohne Effekthascherei. Wenn die Arbeit mir eine Geschichte erzählen kann, umso besser. Vielleicht decken die Fotos auch etwas Verborgenes auf. Manchmal bin ich auch einfach nur von der Schönheit der Natur überwältigt (und will das festhalten)

Was sind deine Pläne für die Zukunft? Wie geht es weiter?
Im Moment fotografiere ich im Kollektiv für einen Foto-Essay über das Centovalli, ein »wildes« Tal an der schweizerisch-italienischen Grenze. Zudem arbeite ich weiterhin an meinem Langzeitprojekt »seekers«.

Michael Sieber
Nach seiner Ausbildung zum Fotografen und diversen Assistenzstationen arbeitet Michael Sieber seit 2005 als freischaffender Fotograf mit den Schwerpunkten in Reportage und Portraitfotografie.  2007 durfte er mit seiner Reportage über Jugendgewalt den Swiss Press Photo Award in der Kategorie Alltag und Umwelt gewinnen. 2009 veröffentlichte Michael zusammen mit der Reporterin Claudia Langenegger die Zeitung “The Daily Offsete” Die Euro'08 einmal anders. 2013 erhielt er das Atelierstipendium Berlin der Stadt Thun. Während des Stipendiums besuchte Michael an der Ostkreuzschule für Fotografie das Seminar von Andreas Mühe.

www.michaelsieber.com

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