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Faszination Desaster – Violent Sky

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Ausgangspunkt der Bachelor-Arbeit “Violent Sky” von Falko Walter an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sind die umfangreichen Bild- und Textdatenbanken der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Gut dokumentiert lassen sich hier menschlicher Tatendrang und der Glaube an den technischen Fortschritt ablesen. Über allen Fakten und Geschichten schwebt die Haltung das Unmögliche möglich zu machen. Wissenschaftliche und gestalterische Fähigkeiten werden in ihrer höchstmöglichen Qualität ausgeübt. Zu aller Euphorie des Menschen das Weltall zu entdecken und seiner Freude ob der auch so zahlreich erzielten Erfolge, machen auch hier die Niederlage und das Eingeständnis der eigenen Ohnmächtigkeit einen ganz eigenen – vielleicht sogar interessanteren – Teil der zu erzählenden Geschichte aus. Der Moment des Scheiterns gewährt einen schonungslosen Blick zurück auf alle Verantwortlichen und das menschliche Wesen im allgemeinen. Die Tragödien halten uns den Spiegel der Fortschritts-Hybris vor und wir stehen da in unserer Einfachheit und Begrenztheit – demütig zurückgewiesen auf unseren Platz als Zuschauer im ganz großen Gefüge der sich wiederholenden Bewegungen der Erde. 

Der erste Teil “End of Transmission” behandelt die drei großen Katastrophen der amerikanischen Raumfahrtgeschichte: Apollo One (1967), Challenger (1986) und Columbia (2003). Jedes Unglück ist in einer schwarzen Schachtel gebündelt und besteht aus drei Teilen: einer 16 seitigen Transkription der letzten Funksprüche kurz vor der Tragödie; 15 Fotos, die mit der Geschichte des jeweiligen Raumschiffs zusammenhängen und ein 32 Karten umfassendes Quartett, wobei jedes Quartett ein Detail beleuchtet. Die Schachteldeckel sind mit einer Hologramm-Folie geprägt und schimmern je nach Lichteinfall unterschiedlich farbig.

Der zweite Teil der Arbeit – “Golden Age of Space”– ist ein 60 x 60 x 28 cm großes Objekt, in das 20 Lüfter verbaut sind. Nähert sich ein Betrachter dem Kasten im markierten Bereich, so registriert ein Sensor die Entfernung und steigert oder verringert die Drehzahl der Lüfter bzw. stoppt die Drehung der Rotoren. Mensch, Technik, Bewegung sind die 3 beschreibenden Faktoren. 

Der dritte und abschließende Teil der Arbeit hat den Titel “No Downlink”. Ein Plakat, das sich aus 42 Einzelblättern zusammensetzt, zeigt die unterschiedlichen Reaktionen der Zuschauer im Moment der Explosion des Space Shuttles Challenger im Januar 1986. Über eine Beamerprojektion wird der Moment der Startphase bis zur Explosion im Loop wiederholt. Zeitversetzt zum Original ist über einen Kopfhörer das Originalkommentar der Live-Berichterstattung zu hören.

Wir haben Falko ein paar Fragen zu seiner Arbeit gestellt:

Du hast dich in deiner Bachelor-Thesis mit der amerikanischen Raumfahrtgeschichte auseinander gesetzt. Woher kommt Dein Interesse? Wie bist Du zu diesem Thema gelangt?

Seit Beginn meines Studiums tauchten bei den unterschiedlichsten Projekten in Phasen der Projekteinarbeitung und im weiteren Verlauf immer wieder Text-Raumfahrt-Assoziationen auf. Das wunderte mich und so lernte ich die Online-Datenbanken der NASA über die Zeit besser kennen. Als nun eine Idee für die Bachelor-Thesis gefragt war, war klar, dass ich mich mit diesen großen Fundus an Bildern und Texten beschäftigen wollte.

Es ist nicht so, dass ich als kleiner Junge Astronaut werden wollte. Ich wollte eher auf dem Boden bleiben und Truckerfahrer werden. Ja, in Amerika schon. Endlose Straßen. Die Route 66, mein Truck und ich. Nun, jetzt bin ich Kommunikationsdesigner geworden. Das ist auch irgendwie wie Truck fahren. (lacht) Man hat einen Auftrag und eine Ladung, die man überlegt verpackt in seinem schnieken und unübersehbaren LKW und den herrschenden Regeln entsprechend von A nach B bringt. Freiheit und Reglement – Grundfeste im Design. Was auf der Strecke zwischen beiden Punkten passiert, ist nichts und doch alles. Es ist der Prozess – die Liebe zum Weg – der mich im Design fasziniert. Zu Beginn eine einfache Fragestellung und Stunden, Wochen und manchmal Monate später arbeitet man sich immer noch an dieser einen Frage und ihren zahlreichen Nachkömmlingen ab. Es braucht Herz, Leidenschaft und gute Ausdauer zum Ziel. Und hier setzt die Raumfahrtgeschichte ein. Und wenn eine, dann ist es sicher die Amerikanische, die die genannten Begriffe am Stilisiertesten zum Ausdruck bringt. 

Meine Aufgabe war es nun eine Schnipsel herauszunehmen und eine Geschichte wiederzugeben und im besten Falle auch eine eigene zu erzählen. Die amerikanische Raumfahrt hat große Erfolge und große Verluste aufzuzeigen. Mein Interesse galt dem Moment des Scheiterns, da hier zugleich Stärken und Schwächen einer Vision und die Arbeit daran sichtbar werden. 

Ausgangspunkt deiner Arbeit waren die riesigen Bild- und Textdatenbanken der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA – wie bist Du an die Informationen gelangt bzw. wie bist du in der Archivarbeit vorgegangen?

Der Zugang zu den Informationen ist im ersten Moment recht einfach über das Internet möglich. Die NASA ist über eine eigene Domain (nasa.gov) zu erreichen. Spannend wurde es, als klar wurde, wie viele Fotos und Texte zugänglich sind. Jede Unterabteilung der NASA betreibt wieder eigenständige Archivarbeit auf eigenen Webseiten und zugleich sind alle miteinander verbunden. Es braucht einige Zeit bis man einen ungefähren Überblick hat. Ich habe die Stunden leider nicht gezählt, die ich mit der Recherche verbracht habe. 

Mit der Zeit wusste ich, dass ich mich eingehender mit den drei großen Katastrophen “Apollo 1 (1967)”, “Challenger (1986)” und “Columbia (2003)” beschäftigen wollte. Ich sammelte bekannte und weniger bekannte Bilder und Texte, die die Katastrophe und die Zeit davor betreffen. Alle drei Unfälle verbindet die Situation einer nach Innen und Außen überheblich-agierenden Handlungsweise auf der Ebene der Entscheidungsträger, die einer Behörde dieser Größe vermutlich zwangsläufig passieren muss. In dieser Richtung suchte ich besonders interessiert.   

Im Nachhinein bin ich froh alle relevanten Suchergebnisse immer gleich offline gespeichert zu haben, da zum Ende des Projekts bekanntermaßen auch die NASA vom “Government Shutdown” betroffen war und somit die Webseiten nicht zugänglich waren. Eine angenehme Voraussetzung bei der Arbeit war, dass der Großteil der Texte und Bilder der “Public Domain” (vgl. Gemeinfreiheit) unterliegen und unter Nennung der NASA im bildungserzieherischen und informationellen Rahmen frei nutzbar sind. 

Deine Arbeit besteht aus mehreren teilen. Unter anderem hast du ein Quartett konzipiert – wie geht das mit der Raumfahrt zusammen? Welches Konzept steckt dahinter?

In erster Linie ist die Raumfahrt eine große Anstrengung technische Probleme zu lösen. So gibt es unzählige technische Begrifflichkeiten, die sich aufzählen und vergleichen lassen. Das erinnerte mich an die immer gleich aufgebauten Auto—Schifffahrt-Motorrad-Quartetts aus meiner Kindheit. Jetzt lag es mir nicht daran die Raumschiffe zu vergleichen, sondern die Geschichte jeder Katastrophe komprimiert zu erzählen: ein Filtrat der Datenbanken zu den drei Themen auf dreimal 32 Spielkarten. Es ist untypischerweise viel Text auf den Karten, der Informationen vermittelt. Das schöne am Format eines Spiels ist es, dass es zwangsläufig zum Austausch mit anderen führt. Zugleich fühlte es sich für mich an, als könnte ich mit einem Spiel die unübersehbare kindliche Naivität nach der Lust an Visionen und Faszinationen, die der Raumfahrt innewohnt, dingbar zu machen., Weiter war es dann reizvoll eine andere Ästhetik als die mir bekannten für ein Quartettspiel zu finden.

Violent Sky – Bachelor-Thesis von Falko Walter
Hochschule: Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
betreut von Prof. Sven Voelker

[email protected]
www.falkowalter.de

 

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