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»Zeit für die Bombe«

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»Zeit für die Bombe« war ursprünglich der Titel eines 1997 von Susanne Berkenheger verfassten Hypertextes im Internet. Sie schrieb damals eine multilineare Geschichte über vier Personen, die zeitgleich einer Bombe durch das verschneite Moskau folgen und deren Handlungsstränge sich kreuzen oder parallel verlaufen. Entstanden ist eine spannende, frivol-groteske Kurzgeschichte, die den Leser aktiv am Geschehen teilhaben lässt. Er bekommt innerhalb des Textes zahlreiche Möglichkeiten, mittels einfach verlinkter Schlagwörter an anderen Textstellen weiter zu lesen und kann so durch das Anwählen den Erzählablauf selbst bestimmen. Die Arbeit zeigt einen medienübergreifenden Ansatz, diese verlinkte Erzählung aus dem Netz auf Papier zu übersetzen.

Ausgehend von der Frage, ob solcherlei komplexe Textstrukturen auf das Internet als Publikationsform beschränkt sein müssen, war es das Ziel eine Lösung zu finden, den kompletten Hypertext inklusive aller vorhandenen Verweise in gedruckter Form wieder zu geben. Dazu war es nötig, auch das Buch als meist verbreitetes Medium der Erzählliteratur auf seine Linearität und räumlichen Grenzen hin zu testen.

Mit Rücksicht auf medienspezifischen Vorzüge und Eigenschaften entstand ein Verweissystem aus Greiflöchern innerhalb des Seitenformats. Dabei sind die Wörter, die den Pfad zur nächsten Textstelle markieren, groß hervorgehoben und durch jeweils ein Loch angeschnitten. Der Leser kann intuitiv direkt zur gewählten Textstelle greifen und interagiert dadurch permanent mit Material und Text. Er greift wortwörtlich in die Geschichte ein, bestimmt deren Ablauf und er kann sich sowohl von vorne nach hinten, als auch in teilweise umgekehrter Reihenfolge durch die Geschichte navigieren. Die Handhabung funktioniert dabei durch eine Kombination aus dem klassischen Blättern und Greifen.

Die jeweiligen Textmengen pro Doppelseite entsprechen exakt den Inhalten der 100 HTML-Textseiten des Urspungstextes. Die kleinen, vertikalen Kolumentitel entstanden durch die wechselnden Browsertexte, die dem Leser zusätzliche Informationen zu Parallelhandlungen geben. Veronika, Iwan, Vladimir, Blondie, sowie der Erzähler verfügen jeweils über einen eigenen Schriftschnitt, was auch ein Lesen nach Personen ermöglicht. Hat der Leser einen Strang nach Belieben bis zum Ende verfolgt, gelangt er durch ein Loch zurück an die Textstelle mit den ersten Wahlmöglichkeiten am Anfang des Buches. Er kann/soll/muss es dann abermals auf andere Art lesen. Lediglich der klare Anfang und das Ende der Erzählung stimmen mit dem konventionellen Geschichtenaufbau in Büchern überein. Die Geschehnisse dazwischen folgen keinerlei chronologischer Ordnung und verzweigen sich nach und nach zu einem dichten Geflecht, wobei sie den Leser in jedem Fall über kurz oder lang zum Ende leiten.

Nonlineare Navigation in Büchern ist nach wie vor ein spannendes Feld, zumal sie das, was Erzählliteratur leisten soll, das heisst, angenehm lesbar und unterhaltsam zu sein auf eine harte Probe stellt. Sicherlich fordert dieser experimentelle Ansatz vom Nutzer eine differenzierte Leseeinstellung. Es handelt sich hier um kein schlichtes Auflesen, sondern schickt ihn vielmehr auf eine visuell-haptische Entdeckungsreise durch ein Objekt, deren Umfang sich nur vordergründig erahnen lässt. (Pressetext)

Diplomarbeit von Agnes Wartner, 2007
Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel
Institut Visuelle Kommunikation, Schwerpunkt Typografie

Format: 190 x 260 mm
Umfang: 200 Seiten
Druck: Digitaldruck s/w
Schrift: Freight, Joshua Darden
Papier: Medley Pure 135g/m2, Sihl&Eika
Druckveredelung: Laserschnitt nach Vektorvorlagen
Bindung: Hardcover, matt kaschiert und Schweizer Bindung

Den Originaltext findest Du hier.

INTERVIEW MIT AGNES WARTNER

Slanted: Gib uns bitte ein paar Informationen über Dich und/oder die Firma, für die Du arbeitest.
Agnes: Momentan arbeite ich für mich und meine Zukunft. Habe mein Portfolio fertig gestellt, mich beworben und werde Ende Februar in Berlin zu arbeiten beginnen.

Slanted: Was ist Deine Grafikdesign Richtung? Wie würdest Du Deinen Stil bezeichnen? Wo liegen Deine Stärken?
Agnes: Ich habe die letzten zwei Jahre verstärkt in Richtung Typographie gearbeitet.
Stil hab ich glaub ich noch keinen. Bin auch ganz froh darüber. Aber ich versuche sauber zu arbeiten und lege Wert auf Details und ordentliche Ergebnisse.

Slanted: Wo arbeitest Du am liebsten?
Agnes: Je nachdem. Gerade habe ich noch ein kleines Atelierzimmer, das ist ganz gut. Ansonsten habe ich gerne ein paar Leute um mich.

Slanted: Was inspiriert Dich?
Agnes: Frische Luft

Slanted: Welche Bedeutung hat für Dich Design?
Agnes: Mit den Jahren immer mehr, wobei es ziemlich schwankt und der Begriff Design ja sehr dehnbar ist. Ich umgebe mich gerne mit schönen Dingen und Leuten mit denen ich mich austauschen kann. Versuche aber immer über den Tellerrand zu schauen. Das finde ich sehr, sehr wichtig.

Slanted: Warum hast Du diese Arbeit gemacht? Wie bist Du auf die Idee gekommen? Was steckt dahinter?
Agnes: Ich wollte gerne mit Literatur arbeiten. Dann haben mich multilineare Geschichten interessiert. Eigentlich wollte ich ein Buch über Labyrinthe machen … und habe Texte dafür gesucht. Das war der Ausgangspunkt. Von da an hat es sich dann kontinuierlich zum finalen Thema hin entwickelt.

Slanted: Was möchtest Du mit Deiner Arbeit erreichen/aussagen?
Agnes: Dass das Buch mehr kann, als man landläufig meint. Und bei Weitem nicht immer linear zu funktionieren hat.

Slanted: Wie/Wo wäre die ideale Anwendungsweise?
Agnes: Eine Editionsauflage wäre sehr schön. Etwa 500-800 Stk.

Slanted: Arbeitest Du eher darauf los oder gibt es lange Konzeptionsphasen?
Agnes: Ich arbeite direkt auf mehr oder weniger lange Konzeptionsphasen los.

Slanted: Wie lange hast Du an Deinem Werk gearbeitet?
Agnes: Von Ende März bis Mitte September

Slanted: Wer hat Dich betreut und wie hast Du davon profitiert?
Agnes: Ich wurde von einem Team von drei Mentoren betreut: Prof. Marion Fink, Leander Eisenmann und Fabian Kempter. Wir haben uns im Zweiwochentakt getroffen und mit 4-5 Kollegen die Arbeit besprochen. Das war ein Angebot und nicht verpflichtend.

Slanted: Hast Du Deine Arbeit »handgemacht« (Druck, Bindung, Veredelung etc.)?
Agnes: Nein. Die Dummies waren allesamt von Hand gemacht.
Die Endproduktion ausser Haus. (Druck/Laserschnitt/Buchbindearbeiten)

Slanted: Hast Du Vorbilder? Was interessiert Dich an dieser/n Person/en? Welche Arbeiten gefallen Dir?
Agnes: Es gibt ein paar Leute, die ich ganz gut finde. Das ist aber auch sehr wechselhaft.
Zur Zeit finde ich zum Beispiel Mevis & van Deursen und ein paar andere Holländer (Hans Gremmen, Lust, natürlich Irma Boom und Experimental Jetset etc.) sehr interessant. Ansonsten habe ich ein paar sehr fitte Leute in meinem Freundeskreis, die mich immer wieder vorantreiben.

Slanted: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Agnes: Ich gehe nach Berlin. Und dann mal sehn.

Slanted: Danke und viel Glück!





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