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Gesten des Zeichnens

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Julian Koschwitz möchte uns an dieser Stelle gerne seine Diplomarbeit vorstellen.
Sie entstand an der Hochschule der Künste Zürich in Zusammenarbeit mit dem Medialab-Prado, Madrid.
In seiner multimedialen Arbeit untersuchte er die »Gesten des Zeichnens«.
Er ging dabei der Frage nach, ob das Verhalten während des Zeichnens mehr und deutlichere Aussagen über die Intention liefern kann als die reine Form.

Projektbeschreibung

Der Verlauf der Arbeit kann grob in drei Etappen unterteilt werden. Zu Beginn wurden zwei Anwendungen entwickelt, mit welchen der Zeichenprozess aufgezeichnet werden konnte. Dabei konnte einmal mit Stift auf Papier gezeichnet werden und weiter mit einer Bewegung in der Luft, was mit der Nintendo Wii-Remote durchgeführt wurde.
 Folgend wurden mit verschiedenen Personen Zeichentests durchgeführt, wobei jede eine Liste mit Begriffen bekam, die sie ohne lange zu überlegen in einer Geste zeichnen sollte. Die dabei aufgezeichneten Daten wurden analysiert und ausgewertet, was durch grafische Visualisierung der Daten, ihrer Relationen und der sich daraus entwickelten Resultate erreicht wurde und den zweiten Abschnitt markiert.
 Mit den Resultaten aus der Untersuchung der Gesten wurde nun eine Installation entwickelt, die aus drei Anwendungen besteht und Besuchern ebenso eine Analyse ihrer Geste ermöglicht, wie die Einordnung in die Datenbank. Diese verwaltet alle Daten über die Gesten wodurch in Echtzeit Resultate in Form von signifikanten Merkmalen jeder Geste berechnet werden. In dem dritten Teil der Installation kann der Besucher jede der bisher eingegebenen Gesten nach verschiedenen Aspekten in Relation zu den anderen stellen.

Hier ein paar Bilder von der Arbeit. Zum besseren Verständnis lohnt es sich den Film auf seiner Webseite anzuschauen www.koschwitz.org

S: Gib uns bitte ein paar Informationen über Dich und/oder die Firma, für die Du arbeitest.
Momentan arbeite ich als freischaffender Designer und Künstler an verschiedenen Projekten zwischen Werbung und Kunst und habe ein Jahresstipendium von Fabrica, dem Benetton Group Communication Research Center in Treviso, Italien.

S: Was ist Deine Grafikdesign Richtung? Wie würdest Du Deinen Stil bezeichnen? Wo liegen Deine Stärken?
Ich versuche für jedes Problem oder jede Aufgabe im Bereich der Visuellen Kommunikation eine spezielles Werkzeug zu gestalten, das ausschließlich diese Aufgabe lösen kann. Das heisst, etwas wie ein autonomer Software oder Hardware Roboter, der intelligent genug ist, die Aufgabe (Plakat, Installation oder Buch) zu verstehen und zu gestalten oder auch nur eine mechanische Vorrichtung, die eine Bewegung ausführt . Somit verzichte ich auf Adobe-Ästhetik soweit diese nicht gebraucht wird.
Mein Stil ist dynamisch und reagiert auf die Aufgabe. Gerne verwende ich Schrift und andere kulturelle Ausdrucksformen.

S: Wo arbeitest Du?
Reutlingen, Treviso und Madrid.

S: Welche Bedeutung hat für Dich Design?
Es ist sehr bedeutend, deshalb sollte nicht vergessen werden, dass die Ausbildung ungemein wichtig. Dabei sollten nicht nur die gestalterischen Fähigkeit trainiert werden, sonder auch die Anwendungsfelder von Kunst bis Industrie möchten verstanden werden. Wichtig ist auch der Unterhaltungswert, Design darf nicht langweilig sein.

S: Kannst Du uns eine kleine Beschreibung Deiner Arbeit geben?
Ich versuche Interaktions Gestaltung und Datenvisualisierung als Forschungsmethoden zu verwenden um Erkenntnisse über menschliche Gesten zu sammeln, die intuitiv beherrscht werden. Diese Erkenntnisse werden kategorisiert, um sie einer Software beizubringen, die wiederum Menschen durch ihre Gesten bedienen können.
Im Grunde geht es darum, Interaktionsformen zu finden, die nicht erlernt werden müssen.

S: Warum hast Du diese Arbeit gemacht? Wie bist Du auf die Idee gekommen? Was steckt dahinter?
Sie steht im Zusammenhang mit zwei vorhergegangen Arbeiten ( http://www.koschwitz.org/visamb.html ) die jeweils auf unterschiedliche Arten die Gesten des Zeichnens verwendet haben. Dieser Bereich ist sehr ertragreich, da Menschen schon bevor sie eine Sprache erlernen im Stande sind sich grafisch zu äußern. Diese Formen untersuche ich, um sie mit angepasster Technologie und Gestaltung nutzbar zu machen.

S: Was möchtest Du mit Deiner Arbeit erreichen/aussagen?
Einen einfachen Umgang mit interaktiven Medien zu gestalten, der die Technologien zugänglich für alle macht und sich endlich von albernen Bedienungskonzepten frei macht, die schnelleren und besseren Umgang mit Computern versprechen, jedoch erst erlernt und beherrscht werden müssen, sich also nicht abheben von analogen Techniken.
Weiterhin sollte sich Technik in die Umgebung des Menschen eingliedern und die Lebensbereiche anreichern, die durch Technik verbessert werden können. Wenn man aber ein deformiertes Handgelenkt von dem Umgang mit einer Computermaus bekommt, muss man sich verformen und der Technik anpassen. Das ist eine Fehlentwicklung.

S: Wie/Wo wäre die ideale Anwendungsweise?
Im Bereich der Forschung.

S: Worauf an deiner Arbeit bist du besonders stolz? Was gefällt dir persönlich am besten?
gibt es irgendein interessantes oder außergewöhnliches Detail? oder was ist an deinem Werk ganz besonders?
Dadurch dass ein sich selbst organisierender Algorithmus verwendet wird, der alle Gesten im Verhältnis zueinander anordnet, werden sehr interessantes Aspekte über die Formvorstellungen der Menschen herausgestellt.
Sehr interessant finde ich dabei, das Menschen neben den Gesten auch Icons produzieren, die für sie eine spezielle Bedeutung haben, die sie aber vollständig verstehen.

S: Arbeitest Du eher darauf los oder gibt es lange Konzeptionsphasen?
Ich konzipier sehr schnell um dann mit der Umsetzung zu beginnen, da viele wichtige Entscheidungen erst mit einem Prototyp gefällt werden können. Außerdem habe ich gerne schnell Resultate.

S: Was inspiriert Dich?
Unterhaltungen mit Menschen

S: Wie lange hast Du an Deinem Werk gearbeitet?
2 Monate mit kurzen Unterbrechungen für Workshops und Urlaub in Madrid und Malaga.

S: Hast Du Vorbilder? Was interessiert Dich an dieser/n Person/en? Welche Arbeiten gefallen Dir?
Vorbilder nicht, aber ich bewundere sehr viele Personen, wie z.B. David Bowie und Bushido, die es vorzüglich schaffen sich in höchst künstlerische Charaktere zu verwandeln ohne unverständlich für die Massen zu werden. Beide schaffen, was Joseph Beuys immer versucht hat, den Dümmsten (im Sinne von unvoreingenommen) zu überzeugen und zu begeistern ohne auf die avantgardistischen und innovativen Aspekte ihres Schaffens zu verzichten.
Interessant finde ich Arbeiten, die smart und unterhaltend sind, wie Julius' Popps «Bitfalls», Kehinde Wileys Arbeiten oder Vladimir Kushnirs Illustrationen

S: Hast du einen Tip für Studenten, die kurz vor ihrer Dipl.- oder Bachelorarbeit stehen?
Nicht zu viel andere Arbeiten anschauen.
Nicht zu viel auf Trends hören.
Nicht zu viel den Computer benutzen.
Viel mit Menschen über die eigene Arbeit sprechen.

S: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Mehr Türkisch sprechen und italienisch lernen, außerdem halte ich dieses Jahr noch einen Workshop und einen Einführungskurs über Interaktions Gestaltung an der Universität Complutense in Madrid, was ich schon im letzten Semester dort gemacht habe und was sehr interessant war. Die Zusammenarbeit und Betreuung von Studenten hat mir sehr viel Spass gemacht, deshalb möchte ich in diesem Bereich gerne weitere Projekte machen.

Vielen Dank für das Interview!

Weitere Bilder zum Diplom gibts auf Julians Flickr-Seite und auf seiner Webseite www.koschwitz.org

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