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»SPAM ANNUAL REPORT 2007«

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Täglich wird man zugemüllt mit unerwünschten Mails unseriöser Anbieter von Penis-Enlargements, Fake-Rolex und Turbo-Diätpillen.
Daniel Bürger von der FH Düsseldorf hat aus dem ganzen Spam-Müll, der weltweit verbreitet wird ein sehr interessantes Konzept für seine Diplomarbeit entwickelt: ein 164 Seiten starker Geschäftsbericht, (»Spam Annual Report 2007«) der mit realen Zahlen aus Sicht eines fiktiven Auftraggebers über die aktuelle Spam-Situation informiert.

Projektbeschreibung
2007 war das Spam-Rekordjahr. Weltweit wurden über 346 Billionen Spams verschickt, das sind bis zu 98% des gesamten E-Mail-Aufkommens.
 
Wer steckt hinter den Spams? Wieso kann man mit Spamming Millionen verdienen? Und warum ist es so schwer, Spams effektiv zu bekämpfen und Spammern das Handwerk zu legen? Diesen und weiteren Fragen geht der Geschäftsbericht »SPAM ANNUAL REPORT 2007« auf den Grund. 

Er legt Rechenschaft ab über ein Jahr Spamming und zeigt, dass 80% des gesamten Spams von nicht einmal 100 Personen und Gruppierungen versendet werden, von den so genannten »Spam Kings«. Sie sind es, die den »SPAM ANNUAL REPORT 2007« herausgeben und über ihr erfolgreichstes Geschäftsjahr seit Versand der ersten Spam-E-Mail berichten.


 

Geschäftsbericht »SPAM ANNUAL REPORT 2007«, 164 Seiten, Format 220x275mm. Infoposter als Schutzumschlag.

—Wer bist du und wo hast du studiert?
Mein Name ist Daniel Bürger, 28 Jahre, ich wohne und arbeite im Ruhrgebiet und habe im Juli an der FH Düsseldorf mein Kommunikationsdesign-Studium abgeschlossen.
 
—Was hat dich daran gereizt einen »Annual Report« über Spam zu machen?
Jeder E-Mail-Nutzer kennt die nervigen Mails, die man täglich aus dem Posteingang löscht. Aber fast niemand weiß woher diese Nachrichten eigentlich kommen, wer damit und wie man damit Geld verdient. Auch ich habe natürlich in den letzten Jahren eine wahre Spamflut erhalten und war immer wieder fasziniert über die beachtliche Kreativität, die in die Entwicklung von immer neuen Maschen und Verbreitungswegen gesteckt wird. Aber auch die unfreiwillige Komik vieler Spam-Texte kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dieser billigsten aller Werbeformen um ein großes Problem des digitalen Zeitalters handelt.
 
Bei meinen Recherchen habe ich schnell festgestellt, dass das Ausmaß der Spam-Flut noch wesentlich größer ist als ich dachte. Zeitweise sind bis zu 98% der täglich weltweit versendeten E-Mails reiner Datenmüll. Der Großteil der Nachrichten wird schon weit vor dem E-Mail-Postfach mit aufwändiger Technik analysiert und abgefangen. Trotzdem schaffen es Spams immer wieder durch alle Filter bis zum User. Die Bandbreite zum Transport der Daten, die Hard- und Softwarefiltertechnik und nicht zuletzt die Zeit, die ein User benötigt um Spams von Hams (also gewünschten Nachrichten) zu trennen, kosteten die Weltwirtschaft im Jahr 2007 geschätzte 100 Mrd. Dollar.
 
Es handelt sich also um ein weltweites, wirtschaftliches Problem. Einen Bericht, der das Thema im weltweiten Kontext in Gänze beleuchtet, gab es bisher aber nicht. Daher habe ich mich dazu entschlossen einen Geschäftsbericht zum Thema Spam zu entwerfen.
 
—Der »Auftraggeber« deines Geschäftsberichts operiert im Illegalen und hat von sich aus sicherlich keine Daten preisgegeben. Wie sah denn deine Recherchephase aus?
Die Recherche und Analyse hat einen Großteil der Arbeit ausgemacht. Der Geschäftsbericht basiert auf den Ergebnissen und fasst unterschiedlichste Quellen zusammen. Aus Literatur und Internet habe ich Daten, Fakten und Angaben zu Spams und Spammern gesammelt. Es wurden zahlreiche Veröffentlichungen von Organisationen, Regierungsstellen, Marktforschern, Wissenschaftlern und Software-Unternehmen ausgewertet, die die Spam-Entwicklung beobachten und bewerten oder Anti-Spam und Anti-Viren-Maßnahmen anbieten und entwickeln.
 
Die Tatsache, dass die Spammer selbst natürlich keine Informationen über ihre illegalen Geschäfte herausgeben und dass nur eine relativ geringe Anzahl von Spammern - die zum Teil sogar namentlich bekannt sind - für den Großteil der gesamten Spamflut verantwortlich sind, hat mich fasziniert. Daher habe ich mich entschieden, sie zum Absender des Spam Annual Reports zu machen. So wird die Top 10 der aktiven Spam-Szene in meinem Geschäftsbericht zum Vorstand einer ganzen Branche, die in ihrem ersten Geschäftsbericht ausführlich über das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte berichtet.
 
—Wie sieht die aktuelle Spam-Situation aus? In wie weit konnte der Plage schon entgegengewirkt werden?
„Two years from now, spam will be solved. I promise a spam-free world by 2006.” Davon war Bill Gates 2004 überzeugt. 2007 konnten die Spammer diese Ankündigung eindrucksvoll widerlegen: Durchschnittlich 79 Mrd. Spams pro Tag wurden versendet. Auch wenn von dieser gigantischen Menge dank zahlreicher Filterstufen nur ein verhältnismäßig kleiner Teil beim User ankommt, so nerven diese Attacken natürlich trotzdem und kosten täglich Zeit. Ständig werden neue Filter entwickelt um die Erkennungsrate zu verbessern – und die Spammer entwickeln immer neue Tricks um die Filter zu täuschen und zu umgehen. Dieses Katz- und Mausspiel wird weitergehen. Ein absolut spamfreier E-Mailverkehr ist ein Wunschdenken solange es immer noch genügend Menschen gibt, die auf Spams hereinfallen. Und das müssen gar nicht mal viele sein, denn bei einer Spamwelle mit Milliarden von Mails genügt selbst eine Responsequote von unter 0,001% um genügend Profit zu machen. Der Versand selbst kostet die Spammer schließlich so gut wie nichts. Deshalb ist auch eine neue Überlegung zur Spam-Bekämpfung: E-Mails müssen kostenpflichtig werden. Selbst wenn der Versand nur wenige Cent pro E-Mail kosten würde, wäre der massenhafte Versand mit hohen Kosten verbunden, die so die Gewinne der Spammer zunichte machen. Ob diese Idee aber um- und durchsetzbar wäre ist eine andere Frage – und ich bin mir sicher die Spam-Industrie arbeitet schon an den Techniken zur Umgehung der Versand-Gebühren.
 
—Du hast in deiner Arbeit viele Zahlen, Daten und Fakten in Form von Diagrammen und Schaubildern ausgewertet. Arbeitest du häufig mit dieser visuellen Darstellungstechnik? Was reizt dich daran?
Bei der Gestaltung habe ich mich am Aufbau und Inhalt von klassischen Geschäftsberichten orientiert. So spricht Leo Kuvayev – 2007 der aktivste Spammer der Welt – im „Brief des Vorstandsvorsitzenden“ den Leser persönlich an. Der Lagebericht gibt einen Überblick über die Geschäftsbereiche und deren Entwicklung inklusive eines Chancen- und Risikoberichtes für das neue Jahr. Das Produktportfolio zeigt die erfolgreichsten Spam-Kategorien und wie damit Geld verdient wird. Der Bilanzabschluss berichtet wie viel Geld im Spam-Business umgesetzt wird.
 
Alle Bereiche enthalten sehr viele Daten, Fakten und Zahlenmaterial, das – wie in jedem Geschäftsbericht – möglichst übersichtlich gestaltet und informativ aufbereitet werden muss. Daher war das Informationsdesign natürlich eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Umsetzung. Dabei war es sehr spannend, die teilweise sehr komplexen Zusammenhänge zu entschlüsseln und in möglichst einfache und verständliche Grafiken zu übertragen. 
 
Bei der Text-Gestaltung habe ich einen sehr reduzierten Stil gewählt, der auf den Grundelementen einer E-Mail basiert. Die Inhaltstexte sind komplett in der Courier gesetzt mit einer Zeilenbreite von 76 Zeichen. So könnte der gesamte Inhaltstext inklusive der ebenfalls mit Hilfe der Courier gesetzten Tabellen unverändert als Text-E-Mail versendet werden. Gerade diese typografische Herausforderung, die Texte mit nur einem Schriftschnitt und einer Schriftgröße übersichtlich und trotzdem abwechslungsreich zu strukturieren, hat viel Spaß gemacht. So lernt man jedes Zeichen im ASCII zu schätzen.
 
Insgesamt wollte ich einen auf den ersten Blick offiziellen Bericht schaffen, der das Thema Spam durch die ungewohnte Sichtweise spannend und informativ beleuchtet. Auf den zweiten Blick entlarven die Absender sich natürlich selbst - und auch gestalterisch hat der Bericht zwei Seiten. Alle Seiten haben versteckte Innenseiten auf denen unzählige Spamnachrichten nachzulesen sind und auch der Schutzumschlag hat zwei Seiten wenn man ihn abnimmt und als Poster öffnet...
 
—Wie lange hast Du an Deinem Diplom gearbeitet? Wer hat dich dabei betreut?
Insgesamt habe ich ca. 1 1/2 Monate recherchiert, Inhalte erstellt und das Konzept entwickelt. Gestaltung und Produktion haben dann ebenfalls ca. 1 1/2 Monate in Anspruch genommen. Betreut haben mich Prof. Wilfried Korfmacher und Anja Steinig.
 
—Bist du schon auf der Suche nach einem Verlag?
Da das Thema Spam eigentlich jeden Internet-Nutzer betrifft könnte ich mir schon vorstellen den Bericht einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Einen Verlag habe ich aber noch nicht gefunden.
 
—Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Wie auch schon während des Studiums bin ich als freier Kommunikationsdesigner für Agenturen und eigene Kunden tätig und freue mich immer über neue Herausforderungen.

Vielen Dank für das Interview!
 
 
Weitere Bilder von Daniels Diplomarbeit sind auf seiner Webseite zu sehen: dpb-media

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