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Typometer mal anders

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»Typometer«, ein experimentelles Schriftenprojekt von 804 Graphic Design: 2x2 Meter Typografie, 4 Meter Schrift und Typografie. Auf der einen Seite des Maßstabs ist die geschichtliche Entwicklung von Schrift abzulesen, auf der anderen Seite sind es Grund legende Informationen und Erklärungen zu und von typografischen Begriffen.

Dahinter liegen sieben Jahre Arbeit, von der Idee zur Produktion. Lange Pausen, unzählige Anläufe und Überarbeitungen waren nötig, bis der erste Typografie-Zollstock dieses Jahr die Musterproduktion verlassen konnte. Geplant ist, dass dieser »Typometer« noch einmal »richtig« produziert wird. Hierzu sucht die Designagentur noch nach Sponsoren.

Der Typo-Zollstock wurde mit dem TDC und iF communication design award ausgezeichnet (beide 2009).

Verlosung:
Wir verlosen zwei Typometer unter allen Lesern, die uns die Frage beantworten können, wie lange die Entwicklungszeit des Typometers dauerte. Schickt uns die Antwort per E-Mail, mit der Angabe Eurer Postadresse und mit dem Betreff »Typometer« an [email protected]. Einsendeschluss ist Montag, 24. August, 10 Uhr. Viel Glück! Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden informiert und auf dem Blog bekannt gegeben.

Interview mit Helge Rieder und Oliver Henn von 804 Graphic Design:

Gebt uns bitte ein paar Informationen über Euch und die Firma, in der Ihr arbeitest.

Helge:
Oliver Henn und ich sind Gründer und Inhaber von 804© GRAPHIC DESIGN. Einem Designbüro in Düsseldorf. Unser Arbeitsschwerpunkt ist die Konzeption und Entwicklung ganzheitlicher Corporate Design Programme.

Wie würdet Ihr eure Design-Richtung bezeichnen, wie euren Stil? Wo liegen eure Stärken?

Oli:
Während unserer Studienzeit waren sowohl Erik Spiekermann, als auch David Carson als Gestalterpersönlichkeiten sehr präsent. Vielleicht sind wir deshalb mit »unserem Stil« ein wenig widersprüchlich. Einerseits lieben wir es clean, funktional und aufgeräumt. Dann aber kommt gerade bei mir auch immer wieder der »Rock ’n’ Roll« durch. Ich bin in meiner Arbeitsweise auch eher unstrukturiert, chaotisch und sprunghaft kreativ. Doch zum Glück kann Helge meine »Schnappsideen« oft in realisierbare Projekte transformieren.
Helge:
Ja, Olis Schreibtisch vermittelt einen guten Eindruck seiner »kreativen Sprunghaftigkeit«. Bei mir kommt zwar ab und zu auch der Wille zur Wildheit durch, aber meine Stärken liegen eher in der Konzeption und dem strukturierten Erarbeiten von Ideen. Außerdem liebe ich das »Layouten«, das Komponieren mit Schrift, Bild und grafischen Elementen liegt mir. Deshalb bin auch häufig für unsere Präsentationen zuständig.

Wo arbeitet ihr?

Oli:
Unser Büro liegt in Düsseldorf-Eller. Kein sehr beschaulicher Stadtteil – Industrie, Lagerhallen, Metallbaubetrieb und die Automeile. Aber im Hinterhof bei uns auf dem CONSUM-Gelände herrscht eine entspannte Atmosphäre. In den denkmalgeschützen Backsteingebäuden arbeiten viele Fotografen und Künstler. In den Kellern (Katakomben) gibt es viele Proberäume. Früher haben hier die Toten Hosen und angeblich auch Doro Pesch geprobt.

Welche Bedeutung hat für Euch Design?

Helge:
Design sollte einem das Leben erleichtern und ist allgegenwärtig. Ganz gleich ob eine Türklinke mit ergonomischem Griff, ein Buch mit lesefreundlicher Typografie, oder eine leicht verständliche Gebrauchsanweisung. Design orientiert sich immer erst an der Erfüllung einer oder mehrerer klar definierten Aufgabenstellungen. Der Rest ist gestalterische Persönlichkeit.
Oli:
Ja. Design darf nämlich auch ästhetisch sein und Spaß machen. Form und Funktion stehen ja bekanntlich nicht im Widerspruch. Die Beurteilung von Design ist ab einem gewissen Punkt auch Geschmackssache (einem Nachteil dem Designer durch konzeptionelle Gedankengerüste, pseudo-empirische Argumentationen und Marktforschung versuchen entgegen zu wirken). Der Designer muss am Ende den Geschmack der avisierten Zielgruppe UND des Kunden treffen.

Kannst Du uns eine kleine Beschreibung Eurer Arbeit geben?

Oli:
Wir haben den klassischen Zollstock/Metermaßstab seiner eigentlichen Bestimmung enthoben und ihn typografisch »geweiht«;-).

Warum habt Ihr diese Arbeit gemacht? Wie seid Ihr auf die Idee gekommen? Was steckt dahinter?

Oli:
Als Schüler habe ich bereit bei meinem Onkel in der Firma ADGA GmbH bunte Maßstäbe als Einzelstücke hergestellt. Da wir als Schwaben zum Zollstock/Maßstab einfach »Meterstab« sagen, ist es zum Typometer-Stab nicht sehr weit. Die ursprüngliche Idee ist fast zehn Jahre alt.
Als ich sie meinem Onkel zum ersten Mal präsentierte, war es technisch noch nicht möglich so etwas zu drucken. Somit wanderte die Idee erst einmal wieder in die Schublade. Kurze Zeit darauf entwickelte ADGA dann ein spezielles Offsetdruckverfahren mit dem es möglich wurde, Maßstäbe in dieser Komplexität zu bedrucken. Der erste bekannte Maßstab in dieser Art ist der »historische Zollstock« von Metermorphosen aus Frankfurt.
Helge:
Wir sind dann erst einmal sieben Jahre mit unserer Idee schwanger gegangen und haben mit den möglichen Inhalten rumgespielt. Wir hatten damals auch großes Interesse an der Thematik der Signaletik. Die sehr hohen Produktionskosten haben uns aber immer wieder davon abgehalten, das Projekt endlich zu Ende zu bringen. Ende 2007 haben wir aber von Olis Onkel das Angebot bekommen eine sehr kleine Probeauflage produzieren zu können. Zuerst durfte unsere damalige Praktikantin Vanessa Poscher den Typometer weiterentwickeln, dann hat unser Mitarbeiter Carsten Prenger das Projekt betreut und fertig gestellt. Von Ihm ist auch das hervorragende Bleisatz-Foto auf dem Maßstab.

Was möchtet Ihr mit Eurer Arbeit erreichen/aussagen?

Oli:
In aller erster Linie war es ein Spaßprojekt und als Gimmick für Designer und Liebhaber der Typografie gedacht. Der Nutzen als Werkzeug ist zweitrangig.

Wie/Wo wäre die ideale Anwendungsweise?

Helge:
Da zitiere ich am besten die PAGE: »Kaum vorstellbar, was für ein typografischer Ruck durchs Land gehen würde, wenn alle Handwerker mit diesem Zollstock ausgestattet würden.« ;-)
Oli:
Der Zollstock verschafft jedem Schrift-Interessierten eine schnelle Übersicht über die mehr als 5000 Jahre alte Schriftgeschichte und liefert Tipps zur Verwendung von Schriften, insbesondere für den Bereich der Signaletik.

Worauf an Eurer Arbeit seid Ihr besonders stolz? Was gefällt Euch persönlich am besten? Gibt es irgendein interessantes oder außergewöhnliches Detail? oder was ist an Eurem Werk ganz besonders?

Helge:
Nun, nach so langer Zeit in erster Linie darauf, dass wir den »Typometer« nun tatsächlich in unseren Händen halten.
Oli:
Es ist schon faszinierend wie viel Informationen wir auf so einen Zollstock packen konnten.

Arbeitet Ihr eher darauf los oder gibt es lange Konzeptionsphasen?

Helge:
Selten trifft einen der »Blitz beim Sc******« ;-) In der Regel ist es so, dass die Aufgabenstellung eine Recherche und Analyse erfordert. Aus den gesammelten Informationen entwickeln sich dann Ideen, die in der Entwurfsphase auf ihre Tauglichkeit hin geprüft werden.

Was inspiriert Euch?

Helge:
Das Leben und die Arbeit von Kollegen.
Oli:
Rock ’n’ Roll.

Wie lange habt Ihr an Eurem Werk gearbeitet?

Oli:
Zu lange (siehe oben). Nicht weil es so unglaublich kompliziert war, aber als Liebhabeprojekt wurde es eben immer wieder beiseite gelegt und hinten angestellt. Außerdem haben wir beide Familie und einen Stall von Kindern, da stehen oft auch »außer-büroliche« Projekte im Vordergrund.

Habt Ihr Vorbilder? Was interessiert Euch an dieser/n Person/en? Welche Arbeiten gefallen Euch?

Helge:
Mein Geschmack ist da breit gefächert. Ich finde Arbeiten von Charles Anderson und Joe Duffy sehr sexy und mag deren Retrostyle. Weiterhin die Arbeiten von Max Bill, oder die Logotypes von Karl Schulpig. Bei den Schriftgestaltern ist es Luc de Groot. Ich liebe die Formensprache seiner Schriften (nicht umsonst ist die Taz III die Hausschrift von 804), oder Christian Schwartz, der ist eine Maschine – unglaublich was für ein Output.
Erik Spiekermann ist für mich eine der präsentesten Gestalterpersönlichkeiten, er vertritt klare Haltungen mit einer deutlichen Sprache, neigt aber nicht so stark zum Dogmatismus wie viele andere »Altmeister«. Seine Arbeiten wirken schlicht und vielleicht nicht immer spektakulär, aber sie sind sichtbar durchdrungen von Struktur, Methode und Funktionalität.
Oli:
Dito, möchte aber noch an Günter Gerhard Lange erinnern, dessen persönliche Art mich als junger Designer sehr beeindruckt hat. Außerdem Ruedi Baur und natürlich tomato.

Habt Ihr einen Tip für Studenten, die kurz vor ihrer Dipl.- oder Bachelor-Arbeit stehen?

Helge:
Für die Bewerbung danach sind in erster Linie die eigenen Referenzen und Arbeiten relevant. Die Diplomarbeit ist unter Umständen und abhängig von bereits gesammelten Erfahrungen nur ein kleiner Baustein. Die Diplomarbeit ist aber auch eine Chance etwas Freies und völlig eigenständiges umzusetzen. Für eine einzelne Arbeit soviel Zeit zur Verfügung zu haben ist ein Geschenk. Ein gutes Diplom kann dabei helfen, den ersten »Bookmark« als Gestalter zu setzen. Andererseits ist das ähnlich wie beim Abitur, oder anderen Prüfungen. Da kräht später kein Hahn mehr danach. Vor allem, wenn Du erst einmal einige Zeit (erfolgreich) gearbeitet hast.
Oli:
"Don’t dream it, be it". Wer dieses Zitat aus Rocky Horror Picture Show nicht kennt – traut euch weit über den Tellerrand hinauszusehen.

Was sind Eure Pläne für die Zukunft?

Helge:
Da möchte ich mal einen sportlichen Vergleich heranziehen: Ich würde gerne den Sprung von der 2. in die 1. Liga schaffen. Dafür müssen wir aber noch trainieren und unseren Kader aufstocken. Außerdem wollen wir in Zukunft mehr von unseren »Liebhaberprojekten« umsetzen. Das nächste erscheint dann auch endlich (!?) Ende August/Anfang September.
Oli:
Da ich seit Jahren als Dozent unterwegs bin – von Mainz bis Düsseldorf – hoffe ich, dass es irgendwann mit einer Professur klappt. Es ist inspirierend und wertvoll die Sichtweisen der Jüngeren kennen zu lernen und Anstöße weiterzugeben.

Vielen Dank für das Interview, vielleicht liest es Erik ja?! Euch weiterhin ein frohes Schaffen und viel Spaß bei der Arbeit und Dir, Oli, viel Glück auf der Suche nach einer Professur.





Facts:
Typometer »2x 2m Typografie« – der typografische Zollstock!
Konzeption / Creative Direction: Helge Rieder, Oliver Henn
Design / RZ: Carsten Prenger, Vanessa Poscher

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