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Leerzeichen für Applaus

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Jenna Gesse hat gerade ihr Diplom an der FH Bielefeld erfolgreich abgeschlossen. Vor Kurzem haben wir bereits auf ihr Buch hingewiesen, welches in kleiner Auflage produziert und sofort vergriffen war. Grund genug, Jenna im Slanted Interview ein paar Fragen zu stellen – und es gibt einen Nachdruck von 50 Exemplaren, die wir im Slanted BookShop anbieten dürfen.

Fakten zum Buch:

Format Innenteil: 110mm x 180mm
Masse Buchobjekt: 113mm x 186mm x 10mm
Umfang: 96 Seiten, davon 7 farbig / 60 Texte
Ausstattung: Leineneinband mit Siebdruck, Fadenheftung, farbiger Schnitt
Papier: Schleipen-Werkdruck, 90g/qm, 2-faches Volumen
Druck: Offsetdruck, vierfarbig
Schnittfarbe: Molotow Belton Sprühlack

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Slanted Interview mit Jenna Gesse

»Leerzeichen für Applaus« – was bedeutet der Titel deiner Arbeit und wie bist du auf die Idee zum Buch gekommen?

Der Titel war ursprünglich eine Textidee. Ich las eine furchtbar langweilige Rede Korrektur, in dem zu allem Überfluss wahnsinnig viele doppelte Leerzeichen waren. Mich tröstete der Gedanke, dass diese Leerzeichen eine ähnliche Funktion haben könnten wie ein "Pause für Applaus" oder "Pause für Gelächter". 

Die Grundidee zum Buch entstand durch die Beobachtung, dass Gestalter häufig ein Umfeld bevorzugen, in dem sie sich verstanden fühlen. Gerade im Studium, in dem man von jetzt auf gleich von werdenden Gestaltern umzingelt ist, entwickelt sich ein Mikrokosmos, in dem man ähnliche Erfahrungen teilt und sich deshalb wohl fühlt. Den großen Unterschied bemerkt man, wenn man außerhalb dieser Welt versucht zu erklären, was man eigentlich tut. Entweder man redet über Briefbögen, weil sie allgemein gerade noch vorstellbar sind. Oder man versucht, wirklich zu erläutern, was einen bewegt – und wird danach für weltfremd und verkitscht gehalten oder schlichtweg nicht verstanden. Und denkt meistens selber "was rede ich denn da?". 

Welcher Gestalter kennt nicht solche Sätze wie "Du machst doch was mit Kunst ..."? Welcher Gestalter empfindet seinen Beruf nicht als unterschätzt, sich selbst als missverstanden, seine Arbeit als nicht ausreichend gewürdigt? Ich denke, dass es diesen Zustand der kollektiven Gedankengänge gibt. 

Wer hat Dich betreut und wie hast Du davon profitiert?

Mein betreuender Professor war Dirk Fütterer. Abgesehen davon, dass er ein sehr kompetenter Typo-Prof ist, war es sicher ein großer Vorteil, dass wir schon vorher einige Zeit- und Schweiß-intensive Projekte gemeinsam gemacht hatten. Ich denke, er kennt mich und meine Arbeitsweise gut, ist immer ansprechbar und nie Kritik-müde. Er hört nicht auf zu fragen. Und hat viel Humor. 

Gleichzeitig habe ich mir während der Diplomphase von vielen Ähnlich- und Andersdenken Rückmeldung geholt. Besonders meine Mitstudenten Felix Kopp und Melanie Opad haben mich intensiv unterstützt. Außerdem Familie, Freunde, meine Mitbewohner bei "Artists Unlimited" ... ich kann mich nicht beklagen.

Deine Abschlussarbeit wurde auf vielen Blogs besprochen und die limitiert gedruckte Auflage der Bücher war sofort restlos vergriffen. Jetzt hast du sogar nachproduziert und wir können unseren Lesern eine begrenzte Anzahl in unserem Shop anbieten. Hattest du mit solch einer Reaktion in den Medien gerechnet? 

Gerechnet sicher nicht. Gehofft natürlich schon. Es ist ein sehr schönes Gefühl, dass das Buch "funktioniert", dass es so ankommt, wie es gemeint war. Schon beim Diplomwochenende, an dem die Arbeiten ausgestellt wurden, saßen in meinem Raum permanent Leute, die lasen, lachten und sich gegenseitig Texte zeigten. Es war großartig, das mit anzusehen. Seit "Leerzeichen für Applaus" im Internet präsent ist, kommen viele E-Mails, Anfragen und Bestellungen. Allein das Lob in diesen E-Mails freut mich sehr. Man wird als Gestalter ja nicht ständig mit einem "darauf haben wir gewartet" belohnt. 

HD Schellnack schrieb auf seinem Blog, dass die Typografie in deinem Buch keine Mätzchen mache um der Mätzchen willen und sie gekonnt präsent aber dabei nicht konservativ sei. Das ist ein schmaler Grat. Wie hast du es geschafft, die Typografie spannend zu halten?

Erstmal Danke für die Behauptung, dass ich das geschafft habe. Ich denke, die Spannung entsteht dadurch, dass Texte zum Gestalter-Dasein nicht so laut inszeniert werden, wie man es vielleicht erwarten würde. Durch die subtilen Brüche in der Typografie wird an die Aufmerksamkeit des Lesers appelliert. 

Die Brüche tauchen nur dort auf, wo sie den Inhalt unterstützten. Immer wieder stellte sich die Frage, wie viel Inszenierung den Texten gut tut, bzw. ab wann die Form zu stark vom Inhalt ablenkt. Unter diesem Aspekt wurden viele der offensichtlicheren Brüche wieder verworfen. Das Buch wäre durch sie durchschaubarer geworden. Auch der Umgang mit Farbe (das Buch ist vierfarbig!) trägt zur Irritation bei.

Speziell war natürlich der Umstand, dass ich meine eigenen Texte inszenierte, was heißt, dass ich "die Macht" über Form und Inhalt hatte. Das kann auch Probleme mit sich bringen, ist grundsätzlich aber eine traumhafte Voraussetzung. 

Du hast nicht nur das Buch gestaltet, sondern auch die Texte dafür geschrieben. Du schreibst über den Alltag eines Gestaltungsstudenten 2010 in Gedicht- und Prosaform. Die Texte sind voller Feingefühl und transportieren auf eine sehr subtile Weise ein ganz bestimmtes Gefühl. Woher kannst du so gekonnt schreiben?

Sobald ich sprechen konnte, habe ich erzählt. Sobald ich schreiben konnte, habe ich geschrieben. Gedichte, Geschichten, viele Briefe. Scheinbar besitze ich eine angeborene Faszination für Worte und Sprache. Es gibt Worte, Betonungen und Dialoge, die ich jahrelang im Kopf behalte. Ich beobachte gerne, sammle ganz alltägliche Situationen und versuche, sie so präzise wieder zu geben, dass ich sie selbst wieder spannend finde. Mich interessiert die Möglichkeit, eine Wahrnehmung zu stören, zu verdichten und dadurch zu kommunizieren. 

Wie geht's weiter?
Erfahrungen sammeln, weiter beobachten, wach bleiben. 

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Mehr Informationen unter www.jennagesse.de

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