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Was ist eigentlich ein Redesign?

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Im Rahmen unseres dreiteiligen Gastbeitrags von Anja Balssat und Nima Sorouri von der Agentur TechTick.Media in Köln, starten wir mit dem zweiten Beitrag aus unserer Reihe:

Teil 2: Was ist eigentlich ein Redesign?

Im ersten Teil der Artikelreihe zum Thema Redesign wurde ein konsumkritischer Blick auf das Redesign in der kapitalistischen Warenwelt geworfen. Scheinhafte Veränderungen und Redesigns wurden voneinander abgegrenzt. Die Frage stand im Mittelpunkt, wann ein Redesign wirklich sinnvoll sein kann. Einige Produktinnovationen aus den Häusern Apple und Braun dienten zur Veranschaulichung. Heute interessiert das Redesign im Alltag.

Redesign im Alltag, es wird nicht hinterfragt

Wir gehen natürlich nicht alle durch unseren Alltag und denken etwa, ah, dieses Appleprodukt ist ein Redesign. So wie wir nicht auf die Internetseite eines Autoherstellers gehen und erkennen, das in Relaunch stattgefunden hat. Klar, eine interessierte Gruppe von Leuten/Fachleuten verfolgt die Werbe- und Markenindustrie regelmäßig. Generell lässt sich jedoch sagen, dass die neue Nivea-Cremdose nicht sonderlich vielen Käufern auffallen wird und auch Kunden von Fluggesellschaften sinnieren während ihres Billig-Fluges sicherlich nicht besonders häufig darüber, ob germanwings eine neue Aufmachung hat.
 
Links: Nivea-Produkte vor dem Relaunch Anfang 2013. Rechts: Aktuelle Nivea-Produktgestaltung. Quelle: designtagebuch.de, designtagebuch.de

Viele Redesigns fallen nicht auf. Zumindest werden sie oftmals nicht als Redesign empfunden. Das ist auch okay. Denn jeden Tag hat irgendein Konzerne und irgendein Unternehmen Veränderungen an sich vorgenommen und geht damit an die Öffentlichkeit. Die Fachpresse ist voll mit Tickermeldungen, wer gerade was für wen relauncht hat. Aber nicht nur die Masse der Informationen und Veränderungen sorgen dafür, dass Redesigns nur von dem interessierten Fachpublikum wahrgenommen werden und von Verbrauchern die einen konkreten Bedarf haben, etwa wenn ein Autokauf ansteht. Deshalb gehören solche Verbraucher kurzfristig sozusagen zum Fachpublikum. Redesigns und Veränderungen, zumindest wenn sie gut gemacht sind, werden nicht als solche hinterfragt. Redesigns gehören zum Alltag und gehen in ihn über und in ihm auf. 

Ein einfaches Beispiel: die frisch relaunchte Internetseite, die dafür sorgt, dass ich schnell und unkompliziert Fast Food zu mir nach Hause ordern kann, am besten noch nach 2.00 Uhr in der Nacht, die hinterfrage ich nicht. Sie ist einfach nur da. Solange sie gut ist. Ist sie schlecht, nervt sie, finde ich nicht, was ich suche, erst dann bleibt mir diese Internetseite eine kleine Weile länger im Gedächtnis. Nun lässt sich etwas reißerisch festhalten, fallen den Verbrauchern Neuerungen nicht auf, sind sie gut. 

Die Designer, die die Fast-Food-Bestellseite gestaltet haben, werden sicherlich etwas enttäuscht sein, dass die ganze Arbeit am neuen Design nicht mehr Lob erfährt. Aber das Objekt der Betrachtung wird selten mit dem Objekt wie es einst war verglichen. Es ist ein bisschen so wie mit dem Spaziergänger in der Stadt. Da, wo jetzt der Bauzaun ist und diese kahle Fläche, was stand da noch mal für ein Haus, fragt sich der Spaziergänger. Wir kennen das alle. Das, was unwiderruflich weg ist, ist auch weg in unserer bildlichen Vorstellung. Schnell erinnern wir uns nicht mehr an Form, Inhalt, Funktion. Schon gar nicht, wenn etwas Neues an die Stelle des „Abgerissenen“ getreten ist.

»Keine Modells - aber straffe Kurven«, einer der typischen Werbesprüche der Firma Dove seit 2005. Das Produkt rückt in den Hintergrund. Quelle: presseportal.de

Original und Kopie

Es gibt Redesigns und so genannte Redesigns. Konkreter: liegt ein gut gemachtes Redesign vor, wird es als ein Original wahrgenommen. Das Produkt oder die Kampagne hat eine eigene neue Identität. Es ist keine Kopie des Vorgängers. Es ist etwas Neues. Viele der so genannten Redesigns, die täglich die Werbefachpresse füllen, lassen sich auch als Kopien ihres Vorgängers bezeichnen, da keine neue Identität besteht, kein neues Image. Farben Strichdicken wurden verändert. Es handelt sich um Beiwerk.

Auch wenn es bereits vor vielen Jahren am Markt eingeführt worden ist, hier ein nach wie vor sehr gutes Beispiel für ein gelungenes Redesign. Es wurde eine neu Identität geschaffen und das Redesign wird von Verbraucherseite als Original empfunden: die Kosmetikfirma Dove hat im Jahr 2005 radikal ihre Identität umgestellt. Das veränderte Image kann ruhig als fragwürdig oder doppelmoralisch diskutiert werden, aber die Werbekampagne von Dove hat zweifelsohne für ein neues Image gesorgt. Die Creme- und Kosmetikprodukte der Firma Dove wurden inhaltlich nicht verändert. Die Verpackungen haben eine leichte, eher unauffällige Veränderung erfahren. Hingegen sehr auffällig und gewollt ist seit dem Imagewechsel das Auftreten des Konzerns. Entschieden stellt Dove sich nun gegen vorherrschende Schönheitsideale. Gravierende gesellschaftliche Problem werden in den Werbespots der Marke thematisiert. So etwa Essstörungen unter noch ganz jungen Mädchen oder der tief in der Gesellschaft verwurzelte Jugendwahn. Teilweise machte Dove in den letzten Jahren gar keine gewöhnlichen Produktwerbungen mehr.

Der „Werbe“-Film von Dove zeigt eine junge Frau vor ihrem Fotoshooting und nach ihrer Prozedur in der Maske. Quelle: shannonleefotographyblog.com

In kurzen Filmen werden knallhart die grässliche Fratze essgestörter Menschen gezeigt, ihr Leiden, das nicht vorhandene Selbstbewusstsein und ihre ausgemergelten Körper. Zudem greift Dove Konkurrenzfirmen der Schönheits- und Kosmetikindustrie im Rahmen des neuen Images indirekt an. Zum Beispiel wird in einem Video gezeigt, wie ein Modell nicht nur geschminkt, gestylt und ausstaffiert wird, sondern auch die Fotomontage wird als Mittel der Werbeindustrie offenbart. Auf diese Weise verurteilt das Unternehmen mit neuem Image die übliche Werbeweise. Die gängige Werbung wird implizit verantwortlich gemacht für kranke und essgestörte Menschen, die den propagierten Schönheitsidealen der Industrie und Medien nacheifern. Der Konzern Dove hat 2005 mit der neuen Werbestrategie weniger Mut bewiesen als Klugheit. Indem gesellschaftlich untypische Körper in den Mittelpunkt gestellt werden und allgemein als übergewichtig oder alt geltende Frauen zum neuen Werbeträger werden, bekommt Dove von all denen, die sich angesprochen fühlen Sympathiepunkte und die Einnahmen steigen. Die Statistiken haben das deutlich bewiesen. Im ersten Jahr nach Einführung des neuen Auftretens ist der Umsatz um ganze 22,6 Prozent gestiegen und Dove bekam den Marken-Award 2006 für den besten Marken-Relaunch.
 
Dove Real Beauty Sketches. Quelle: gutewerbung.net

Das Selbstbild der Frau - interessante Werbestrategie

Und auch heute, ca. acht Jahre nach Einführung des neuen Images hält Dove an seinem kritischen Auftreten fest. Als interessantes Experiment handhabt die Werbefachpresse seit kurzem Doves neuesten „Kunstgriff“. Der FBI Phantomzeichner Gil Zamora fertigt von sieben Frauen jeweils zwei Zeichnungen an. Eine der beiden Zeichnung offenbart das Selbstbild der jeweiligen Frau. Denn sie persönlich beschreiben dem Zeichner ihr Gesicht. Die andere Zeichnung entsteht anhand der Beschreibung einer Fremden Person. Die Ergebnisse der Zeichnungen von ein und derselben Frau könnten nicht unterschiedlicher sein. Doves Imagewandel entspricht wie gesagt einem gelungenen Redesign. Niemand weiß mehr wie der Konzern vor der Imagekampagne aufgetreten ist. Und es interessiert auch niemanden. Dove ist jetzt das Original.

Übersichtsbild / Quelle: presseportal.de

 

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